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Ritus

Ritus

Titel: Ritus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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aber unmissverständlich auf, das Büro zu verlassen.
    Eric ging als Erster, er stürmte regelrecht hinaus, hatte keinen Blick für die wie zufällig über den Schreibtisch gebeugt stehende Vorzimmerdame und den Rand ihrer halterlosen Strümpfe, sondern lief direkt hinaus auf den Bürgersteig. Am liebsten hätte er sich mit jemandem geprügelt.
    »Eric, warte«, hörte er die Akzentstimme hinter sich, die er jetzt schon hasste. Und sie duzte ihn auch noch! Er ging weiter. Sie bedachte ihn mit einem weiteren ihrer französischen Flüche, die dreckig und elegant zugleich klangen, und stand plötzlich neben ihm. Sie ist schnell, schoss es Eric durch den Kopf.
    Justine war beinahe so groß wie er, schlank und vom Gesicht her ungewöhnlich genug, um ein Model zu sein. »Ich wollte erklären, warum ich …«
    »Geldgeiles Miststück.«
    So schnell ihm die Beleidigung über die Lippen rutschte und gegen sie prallte, so schnell erhielt er die Ohrfeige als Erwiderung. Seine Kämpferinstinkte wurden vollkommen überrumpelt, er bekam nicht einmal einen Arm als Abwehr nach oben. Seine linke Wange fühlte sich an, als habe sie nicht mit der flachen Hand, sondern mit einem eisernen Tischtennisschläger zugeschlagen. Sein Kopf wurde zur Seite geschmettert, dass die Wirbel knirschten, und die schwarzen Haare flogen ihm in die Augen. Er musste einen Ausfallschritt machen, um die Wucht abzufangen.
    Eric holte sofort aus, doch seine Rechte wurde von Justine geblockt. Dann aber zuckte seine Linke schallschnell voran und versetzte ihr eine Ohrfeige; die Härte entsprach ungefähr der ihren. Die Zigarette flog Funken sprühend davon; Justine musste sich an seinem Gehrock festkrallen, um nicht zu stürzen.
    »Touché.« Sie bleckte die Zähne und betupfte die Lippe. Kein Blut. Mit einem schiefen Lächeln richtete sie sich wieder auf, zündete sich eine neue Zigarette an und rauchte ungerührt weiter. »Kann ich es dir jetzt erklären? Eric, ich brauche das Geld, um …«
    Er ließ sie stehen und ging zu seinem Porsche. Als er die Tür öffnete, trat Justine von hinten dagegen, dass sie hart zurück ins Schloss fiel.
    »Merde, ècoute-moi! Ich kenne dein Geheimnis, Eric«, sagte sie in seinem Rücken. »Ich bin seine Tochter, es gibt keinen Zweifel.« Es klirrte leise.
    Eric holte tief Luft und drehte sich langsam um. Justine stand vor ihm, eine Hand hielt eine blinkende Goldkette mit einem Reißzahn daran, der viel zu groß für den eines normalen Raubtiers gewesen wäre. Es war eine Kunst, ein unverwandeltes Körperteil eines Lykantrophen zu erbeuten. Das bedeutete, dass der Besitzer entweder noch lebte oder ein besonderes Ritual angewandt worden war, um es davor zu bewahren, nach dem Tod des Wandelwesens wieder zu einem menschlichen Eckzahn zu werden.
    »Es stammt von ihr«, sagte sie leise.
    Er nahm sich den schimmernden, makellosen Zahn und betrachtete ihn von allen Seiten. Der Wind trug ihm ihren Geruch in die Nase, und er meinte, eine Spur des Geruchs seines Vaters darin zu erkennen, was natürlich absolut unmöglich war. Eric rieb über den Zahn und schaute sie an.
    »Woher hast du ihn?«
    »Ausgeschlagen.« Justine bedachte ihn mit einem wilden Grinsen. »Aus ihrer hässlichen Fresse.« Sie legte die Kette wieder um ihren Hals und ließ den Anhänger unter ihre Bluse gleiten.
    »Du?« Er lachte ungläubig. »Und du lebst noch?«
    »Ich bin ihr vor zwei Jahren begegnet. Es kam zum Kampf, den sie vorzeitig abbrach, weil eine dritte Partei ins Spiel kam. Eine Partei mit großen Gewehren und einer Feuerkraft, die es mit der légion étrangère aufnehmen konnte.«
    »Ich glaube dir nicht.«
    »Es war so.«
    »Und wo war das?«
    »In Südfrankreich, in der Nähe von Auvers. Wo alles begann.« Sie schnippte die Kippe weg. »Johann hat mich vorgewarnt, dass du wütend sein würdest, aber …«
    »Du bekommst eine Million Euro, mehr nicht. Finde dich damit ab.«
    Sie gab einen knurrenden Laut von sich. »Merde, Eric! Ich bin pleite! Unser Leben ist teuer, immer das Reisen, die Munition, Informationen kaufen und Leute bestechen.«
    »Dann geh sparsamer vor. Nimm einen Billigflieger.«
    Sie schaute ihn bittend an. »Wir können uns das Gericht sparen, Bruder.«
    Seine rechte Hand schnellte nach oben, umfasste ihren Hals und drückte zu. »Ich bin nicht dein Bruder, Justine. Du bist ein Bastard, mehr nicht«, grollte er, und seine Augen wurden schmal, böser und gelber.
    »Ich kann nichts dafür, dass er meine Mutter nicht geheiratet hat«,

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