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Ritus

Ritus

Titel: Ritus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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keuchte sie mit hochrotem Kopf. »Eric, ich trete dir in die Eier, wenn du nicht gleich aufhörst!«
    Er stieß sie zurück, sie prallte gegen eine Mülltonne und musste sich erneut festhalten, um den Sturz zu verhindern. »Trou du cul! «, spie sie aus. »Einer allein ist einfache Beute für sie!«
    »Du vielleicht.« Eric stieg in den Porsche, startete den Motor und ließ ihn aufheulen. »Ich nicht.«
    Sie kam ans Fenster. »Wo finde ich dich, falls ich etwas über sie erfahre?«
    »Lass es. Ich werde herausfinden, wo man deine zerfetzte Leiche gefunden hat, und wissen, wohin ich reisen muss.« Er fuhr los, hörte, dass sie dem Cayenne einen Tritt verpasste, und sah sie im Rückspiegel kleiner werden. Sie reckte zum Abschied den Mittelfinger nach oben.
    Für Eric gab es keinen Zweifel, dass Justine gelogen hatte. Das bisschen Wissen konnte sie sich aus Erzählungen des Vaters zusammengereimt haben. Gut, sie war schnell und stark, aber das bedeutete gar nichts. Sie konnte vom Schicksal verschont worden sein, redete er sich ein.
    Eric wählte die Nummer des Ermittlungsbeamten und berichtete ihm von der Testamentseröffnung sowie von der unbekannten Schwester. Breitwangler setzte sie sofort auf die Liste der Verdächtigen, die verantwortlich für den Tod seines Vaters sein konnten. Justine wusste offenkundig seit Langem von dem Testament zu ihren Gunsten, und was lag da näher, als dem Reichtum ein wenig auf die Sprünge zu helfen?
    Eric musste grinsen. »Unternehmen Sie alles, was in Ihrer Macht steht«, bat er den Ermittlungsbeamten. Sollten sich die Bullen um Justine kümmern. Er benötigte keine Begleitung bei dem, was er vorhatte.

V.
KAPITEL
    2. Januar 1765, in der Nähe von Mazel-d-Grèzes, Südfrankreich
     
    »Schneller, Camille. Es kommt ein Schneesturm.« Jean Chateauneuf sprang an der blökenden Schafherde vorbei, die auf die geschützte Flanke des Berges zuhielt, und scheuchte das eigensinnige Schaf Camille zurück, das ausbrechen und in einem nahen Buchenwäldchen Schutz vor dem eisigen Wind suchen wollte.
    Er versetzte dem Tier einen leichten Schlag mit dem Ende seines Stabes. Camille schaute ihn mit tumben Augen an und hopste zurück zur Herde.
    »Na also. Wir haben keine Zeit für deinen Sturkopf.« Er atmete erleichtert auf, weil er sich schon hinter dem Schaf her durch den Schnee in den Wald hatte rennen sehen. Und Wälder waren derzeit Orte, in die man sich als vierzehnjähriger Junge nicht allein begab.
    Er fürchtete sich nicht vor dem Wolf – er hatte seinen Stab am Ende zugespitzt und würde sich damit gegen ihn verteidigen können. Dennoch sorgte die Ansammlung dunkler Bäume nicht gerade für Freude. Auch ohne die Geschichten über den reißenden Wolf hätte er den Ort gemieden.
    Camille schien es sich indes anders überlegt zu haben. Der windarme Wald lockte sie, blökend bog sie ein weiteres Mal ab, und diesmal folgten ihr sogar einige Tiere aus der Herde.
    Fluchend nahm Chateauneuf die Verfolgung auf und versuchte vergebens, die Schafe davon abzuhalten, in den Wald zu laufen. Er ärgerte sich, dass er auf den treuen Gaston, den Hirtenhund seiner Familie, verzichten musste. Er hatte sein Leben vor einem Monat verloren, und der neue Hund war noch nicht so weit. Also musste er selbst rennen.
    Erst als die Schafe zwischen den Buchen ankamen, wurden sie langsamer.
    Jean Chateauneuf betrachtete die Bäume mit Unbehagen. Laublos reckten sich die Äste dem dunkelnden Himmel entgegen, die kahlen Baumkronen schwankten im auffrischenden Wind, ein anhaltendes Pfeifen ging durch den Wald, das vom gelegentlichen Knacken eines brechenden Zweigs begleitet wurde. Ausgerechnet jetzt fielen ihm die vielen Einzelheiten aus den Zwischenfällen mit der Bestie ein, die sich die Menschen erzählten. Ein solch düsterer Ort war wie geschaffen für einen ihrer Überfälle.
    »Los, Mesdames«, sagte er zu den Schafen, die sich anscheinend sehr wohl fühlten, während er sie umrundete, um sie hinaus zu den anderen zu treiben. »Ich möchte bei unserer Hütte sein, ehe der Sturm losbricht. Euch ist der Stall doch auch lieber als der zugige Wald.«
    Irgendwo tief zwischen den Stämmen krachte es laut: Etwas Schweres war auf einen Ast getreten.
    Ein Reh. Es kann ein Reh gewesen sein, dachte Chateauneuf und tat so, als habe er es nicht gehört. Nach dem zweiten Geräusch wurde ihm mulmig. »Verdammt, Camille!«, herrschte er das Schaf an und zog ihm den Stab so fest über, dass es erschrocken einen Satz machte, vor dem

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