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Ritus

Ritus

Titel: Ritus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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»Ebenso wie Ihr, nehme ich an.« Er hob seine Linke und beschrieb einen Kreis. »Wir drei waren die Einzigen, die nicht auf die bedauernswerten Wölfe geschossen haben.« Er blickte Jean forschend an. »Ihr seid Franzose? Aus der Gegend?« Mit gesenkter Stimme fuhr er fort: »Wir könnten uns zusammenschließen und die Kreaturen jagen, die wirklich hinter den Morden stecken. Ich bin überzeugt davon, dass es zwei sind.«
    Die Chastels gaben sich Mühe, ihre Überraschung zu verbergen, was beiden misslang. Malesky las mühelos in den Gesichtern, dass er mit seiner Bemerkung ins Schwarze getroffen hatte. Die unverhohlene Genugtuung des Fremden wiederum warnte Jean davor, irgendetwas zuzugeben. Nicht einmal andeutungsweise.
    »Ich weiß nicht, was Ihr meint«, log er stattdessen und hoffte, dass Pierre seine Ausflucht nicht durch eine unbedachte Bemerkung verdarb. »Wir halten nur nichts davon, Tiere zu schießen, die keinesfalls so aussehen, wie sie die Zeugen beschrieben haben.«
    Aber Malesky durchschaute ihn. Er kam näher, den Kopf leicht zur Seite geneigt. »Ihr habt die Kreatur gesehen, nicht wahr?« Das Blau um die Pupillen weitete sich in der Erkenntnis. »Nein … Ihr standet ihr sogar gegenüber! Ihr wisst genau, wie sie aussieht, und habt deshalb nicht auf die harmlosen Wölfe geschossen.« Sein Raunen hatte etwas Bedrohliches. Pierre wich unwillkürlich einen halben Schritt zurück. »Und ihr jagt sie schon länger.«
    »Unsinn«, presste Jean heiser hervor. »Wir kennen sie von den Bildern, welche Duhamel überall anschlagen ließ«, beharrte er und versuchte, den Spieß umzudrehen. »Haltet Ihr das Vieh etwa für etwas anderes als einen Wolf? Ein Bär oder ein aus einer Menagerie entlaufenes Raubtier? Oder glaubt Ihr gar die Märchen von einem Loup-Garou, welche die Mütter ihren Kinder erzählen, um sie früh ins Bett zu stecken?«
    Der Moldawier ließ sich mit seiner Erwiderung Zeit. »Ich habe mich getäuscht. Verzeiht mein aufdringliches Gebaren«, entschuldigte er sich mit samtiger Stimme. »Aber in der Tat halte ich die Bestien für Kreaturen, die unter Umständen aus … aus einem ganz anderen Teil der Welt stammen. Es kommen nur zwei Wesen in Frage: ein abgerichteter Hund, eine unbekannte Züchtung, der seinem Herrn entweder abhanden kam oder von ihm aus teuflischen Gründen auf die Menschen gehetzt wird, oder aber …«
    Er wurde durch laute Rufe unterbrochen. Die nächsten Wölfe brachen aus dem Wald und wurden ebenso zusammengeschossen; dieses Mal gelang es keinem der Tiere, bis zum zweiten Hügel vorzudringen.
    »Ein Hund?«, entfuhr es Pierre ungläubig, der das Abschlachten der Wölfe verfolgte. »Hunde sehen gewiss anders aus.« Er biss sich auf die Lippen, zu schnell waren ihm die Worte entwichen.
    »Anders als auf dem Bild gewiss«, ergänzte Malesky, der nicht bemerkte, dass sich der Sohn des Wildhüters verraten hatte. »Es kann eine Kreuzung aus Samsun und Hyäne sein, die die Menschen zerfetzt. Die Beschreibungen einer möglichen Kreuzung kämen hin. Das Verhalten der Bestie lässt darauf schließen, dass sie Menschen kennt und sich auf Kinder und Frauen konzentriert. Leichte Beute.«
    »Was ist denn ein Samsun ?«, fragte Pierre. »Meint Ihr einen Löwen?«
    »Es ist ein Hund aus dem Osmanischen Reich, der von einem osmanischen Gelehrten so genannt wurde.« Malesky überlegte. »Die genaue Bedeutung des Wortes ist mir entfallen, aber ein solcher Samsun muss in doppelten Ketten geführt werden. Sie sollen so groß wie Esel und so wild wie Löwen sein.«
    »Habt Ihr studiert, Monsieur?«, wunderte sich Jean, dem das Wissen des Fremden imponierte. Hätte er nicht gewusst, dass es sein eigener Sohn war, der als Werwolf sein Unwesen in der Region trieb, würde er dem Mann glattweg zustimmen, so überzeugend klang er.
    Malesky lächelte. »Ich habe auf meiner Wanderung viel gelesen. Die Bücher stimmen darin überein, dass kein Wolf seine Opfer derart verstümmeln und nur die Innereien fressen würde.«
    »Es könnte sich um ein krankes Tier handeln«, warf Jean ein.
    »Daran glaubt ihr selbst nicht. Würde ein Wolf an der Tollwut leiden, die ihn zu solchen Taten triebe, wäre er inzwischen schon lange verendet.« Er schnalzte missbilligend mit der Zunge, als das letzte Tier einer Kugel zum Opfer fiel.
    »Da stimme ich Euch zu. Was ist die andere Möglichkeit, von der Ihr spracht? Was ein Samsun ist, wissen wir jetzt, aber was ist eine Hyäne?«
    »Hundeähnliche Raubtiere, die in Afrika

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