Ritus
aus der Truppe Duhamels an der Spitze des Zuges wandte unwirsch den Kopf.
»Wie weit noch?«
»Bis wir dort sind.« Der Dragoner deutete auf die Steigung fünfhundert Schritt vor ihnen. Er wollte noch etwas hinzufügen, als ein Signalhorn geblasen wurde. Der Wind trug ihnen das Trommeln und Rufen aus dem Waldstück herüber: Die Treiber rückten näher an den Rand heran. Der Dragoner fluchte. »Sie sind zu früh. Los, schneller!«, befahl er den Jägern, die daraufhin in einen schnellen Trab verfielen, um die Anhöhe zu erklimmen. Unterdessen krachten aus weiter Entfernung Musketen los.
»Gott stehe Antoine bei«, raunte Pierre entmutigt und folgte seinem Vater, der sich an den anderen Jägern vorbeidrängte, um als Erster auf dem Hügel zu stehen.
»Wir verlassen uns nicht auf Gott«, sagte Jean mit grimmigem Gesicht, stieß beim Überholen absichtlich den Italiener an, der aus dem Gleichgewicht geriet und samt seiner Belagerungsmuskete stürzte. Vier weitere Jäger fielen über ihn, es bildete sich ein Knäuel aus Läufen und Gliedmaßen, das mit Lachen und Fluchen bedacht wurde.
Die Chastels standen auf der Erhebung. Unter ihnen erstreckte sich eine weitläufige verschneite Wiese, auf welcher der Wind nach Gutdünken kleinere Wehen zusammengeschoben hatte, die höchstens vor Blicken, nicht aber vor Kugeln Deckung boten. Ausgerechnet hier gab es nur zwei kleine Granitfelsen, die in dieser Region ansonsten allgegenwärtig waren.
Die Treiber waren von Duhamel so angeordnet worden, dass es für jedes Tier, das sich im Wald befand, nur den Ausweg über die Ebene zwischen den Hügeln hindurch gab.
Einige übermütige Jäger hatten das Feuer irrtümlich auf ein Reh eröffnet. Kaum zeigte es sich zwischen den Stämmen und setzte auf der Flucht vor dem unbekannten Lärm einen Vorderlauf auf die Schneefläche, sausten mindestens fünfzig Kugeln heran und zerfetzten es regelrecht. Zurück blieb nicht mehr als ein blutiges Fellbündel, das zuckend am Waldrand lag.
»Ich möchte heute kein Treiber sein«, sagte der Dragoner lachend und richtete sich im Sattel seines Pferdes auf. »Die Idioten schießen wahrhaftig auf alles, was aus diesem Wald läuft.«
Jean suchte verzweifelt nach einer List, während sich die zweihundert Jäger einer nach dem anderen in Schussposition begaben. Auch der Italiener erreichte die Kuppe, bedachte den Wildhüter mit einem bösen Blick und einem Schwall äußerst unfreundlich klingender italienischer Worte.
»Wir müssen sie ablenken«, sagte Jean zu Pierre. »Wir tun so, als seien wir fest davon überzeugt, dass sich die Bestie auf der anderen Seite in unserem Rücken vorbeischleicht. Sie werden uns in ihrer Gier nach den zehntausend Livres gerne Glauben schenken. Fängt nur einer an zu schießen, machen alle mit.«
»Und wie sollen wir das anstellen?« Sein Sohn war nicht überzeugt.
Jean zog die Hähne der Muskete zurück. »Mach mir einfach alles nach«, lautete seine simple Anweisung.
Der Dragoner ritt hinter den Jägern vorbei und begutachtete die Vorbereitungen der Männer. »Keiner schießt mir so sinnlos herum wie die anderen auf dem ersten Hügel«, warnte er sie mit lauter Stimme. »Erst, wenn wir einen Wolf oder etwas sehen, was der Bestie gleicht, wird abgedrückt. Ihr habt die Zeichnung des Viehs gesehen. Wer einen Treiber erwischt, zahlt ein Schmerzensgeld an den Mann oder eine Abfindung an dessen Familie. Das hängt ganz von euren Treffkünsten ab.«
Der Mann neben den Chastels lachte freudlos auf, nahm eine Kugel aus dem Beutel und lud sie. Pierre sah ganz deutlich, dass sie eine Markierung trug. »Das, junger Freund, ist zur Sicherheit«, erklärte er ihm mit starkem Akzent, nachdem er den Blick bemerkt hatte. »Wenn ich die Bestie erledige, soll jeder sehen, dass ich es war. Ich teile meine Belohnung mit niemandem.« Seine einstmals teure Kleidung sah ramponiert aus, als trage er sie seit langer Zeit. Der dunkelbraune, bestickte Rock klaffte hier und da auf, und die Stiefel mussten hunderte von Meilen gelaufen sein.
»Verdammt, das habe ich vergessen«, rief der Nachbar auf der anderen Seite. Hastig schnitzte er mit dem Messer seine Initialen in die Kugel. Bald stand die Mehrzahl der Schützen kratzend auf dem Hügel, völlig außer Acht lassend, dass sich das Blei beim Eindringen in den Körper verformen würde. Traf das Projektil einen Knochen, barst es ohnehin.
»Mein Name ist Pierre Chastel, das ist mein Vater Jean. Woher kommt Ihr, Monsieur?«, erkundigte
Weitere Kostenlose Bücher