Rivalen der Liebe
sehr intensiv.
Einerseits machte sie sich Sorgen um ihre Arbeit als Gesellschaftskolumnistin, aber andererseits dachte sie auch darüber nach, warum sie sich zu einem Mann hingezogen fühlte, den sie verabscheute und der gerade dabei war, ihr Leben zu zerstören. Julianna war von diesen Grübeleien rechtschaffen erschöpft.
Alistair schaute traurig und mitfühlend in ihre Richtung. »Armes Ding«, murmelte er.
»Ich bin sicher, alles kommt wieder ins Lot«, sagte Annabelle beruhigend, aber das war Julianna kein Trost.
»Ich bin sicher, das wird es nicht. Warte, ich lese es dir gern noch einmal vor«, sagte sie verzagt und griff nach der Ausgabe, die Eliza mitgebracht hatte.
»Nein!«, riefen alle.
Eliza hielt die Zeitung von ihr weg.
»Egal, ich kann die Zeilen inzwischen ohnehin auswendig«, sagte Julianna, und sie begann, aus dem Gedächtnis die gefürchteten Worte herzusagen: » Dieser Mann, der Bescheid weiß, hat das große Vergnügen, ein bisschen Licht ins Dunkel der Neigungen eines gewissen, skandalumwitterten Lebemanns zu bringen. Nein, nein, liebe Leser, versteht das nicht sofort falsch.«
Und dann griff eine andere Stimme den Faden auf. Knightly betrat den Raum und hielt in einer Hand die London Times . Die andere steckte immer noch in der Schlinge.
Julianna wusste, dass er bei dem Duell um seinen eigenen Ruf gekämpft hatte und nicht um ihren. Aber trotzdem hatte sie das schreckliche Gefühl, es sei alles ihre Schuld – und daran bestand, objektiv betrachtet, ja auch kein Zweifel! Die Schuldgefühle, die jedes Mal an ihr nagten, wenn sie seine Verletzung sah, führten in Verbindung mit dem letzten Triumph des Mannes, der Bescheid weiß, dazu, dass Julianna am liebsten in Tränen ausgebrochen wäre.
Sie weinte sonst nie.
Knightly stand vor seinen Mitarbeitern und las die schrecklichen Zeilen vor.
Ich werde die Identität von Lord R-s Liebchen hinter der Bühne preisgeben und diese Geschichte exklusiv mit den Lesern der London Times teilen. Die großartige Schauspielerin ›Mrs.‹ J- K-, bekannt für ihr Talent wie für ihre Schönheit, hat zugegeben, die Geliebte von Lord R- zu sein. Sie erzählte mir ebenso, dass er ein Mann sei durch und durch, und dass er alles mitbrachte, was eine Frau sich von einem Mann nur wünschen könne. Sie habe keinen Zweifel an seinen Neigungen.
Knightly legte die Zeitung auf den Tisch. Keiner sagte ein Wort. Ein Dutzend ernste Gesichter blickten sie an. Knightly am ernstesten.
Diese Kolumne ließ Julianna wie eine Lügnerin oder eine Idiotin dastehen und widersprach allem, was sie über Roxbury geschrieben hatte. Wie dumm von ihr, dass sie nicht zuerst darauf gekommen war, mit Jocelyn zu reden! Aber sie war zu durcheinander gewesen, weil sie so etwas wie Verlangen nach Roxbury empfunden hatte. Und genau deshalb war ihr der Gedanke auch gar nicht erst gekommen.
»Ich habe nicht mein Leben für diese Zeitung und für dein Schreiben riskiert, damit du Geschichten wie diese an unseren Erzrivalen verlierst.« Knightly sprach leise, aber sehr entschieden. Die kontrollierte Kraft seiner Worte traf Julianna mehr, als wenn er sie laut angebrüllt oder geschlagen hätte.
»Lass das bloß nicht noch einmal passieren.«
Die Londoner Residenz des Dukes und der Duchess
of Hamilton and Brandon
Einige Stunden später hatten sich die Schreibfräulein in Sophies privatem Salon eingefunden. Sie saßen auf den Sofas und Sesseln, plauderten, blätterten in der neuesten Ausgabe des Frauenmagazins La Belle Assemblée und tranken Tee.
»Mir war wirklich zum Weinen zumute, Sophie. Du weißt genau, dass ich sonst nie heule«, erklärte Julianna. Sie saß auf einem pinken Plüschsofa und genoss zum Tee Ingwerkekse. Ansonsten badete sie sich allerdings gerade ausgiebig in Selbstmitleid.
»Das war jedenfalls nicht gut«, bestätigte Eliza, und Annabelle blickte von der Zeitschrift auf und schüttelte ebenfalls den Kopf. Es bestand für niemanden ein Zweifel, dass die heutige Sitzung recht unangenehm verlaufen war.
Wenn sie noch mal zu jenem Abend im Drury Lane zurückgehen könnte, würde sie dann irgendwas anders machen?, fragte Julianna sich und spürte eine Gänsehaut den Rücken hinaufkriechen. Denn sie konnte sich noch sehr gut an das triumphierende Beben erinnern, das sie voller Vorfreude auf ihre nächste Kolumne erfasst hatte, als sie Roxbury hinter der Bühne in dieser kompromittierenden Umarmung ertappt hatte. Wer hätte denn ahnen können, dass ihre Zeilen solche
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