Rivalen der Liebe
Bewirtschaftung der Familiengüter – es musste irgendwas vorgefallen sein. Etwas Schwerwiegendes.
In Roxburys Ohren tickte die Uhr auf dem Kaminsims heute unnatürlich laut.
»Du wirst das Geld in Zukunft auch benötigen, fürchte ich«, fuhr sein Vater fort. Jedes Wort klang schwerwiegender als das vorangehende.
Der Earl zündete in aller Ruhe seine Zigarre an der Kandelaberkerze auf seinem Schreibtisch an. Die Flamme beleuchtete seine eingefallenen Wangen, die an der Zigarre zogen, bis das andere Ende aufglühte. Der alte Mann atmete schwer aus.
Roxbury fiel auf, dass sie dieselben hohen Wangenknochen hatten. Dasselbe tiefschwarze Haar, obschon sich bei seinem Vater bereits graue Strähnen daruntermischten. Edward hatte genauso ausgesehen. Und nicht nur das: Auch Edward hatte, genau wie sein jüngerer Bruder, das wilde Temperament und das leidenschaftliche Wesen eines längst vergessenen Vorfahren geerbt. Wie es den ruhigen und anständigen Eltern gelungen war, zwei solche Teufelsbraten heranzuziehen, war für Simon immer noch ein Geheimnis.
Jetzt gab es allerdings nur noch einen Teufelsbraten in der Familie. Einen Nachfolger.
Sie hatten außerdem alle drei die Liebe zum Geld geteilt. Geld bedeutete Freiheit, es garantierte Sicherheit und Spaß. Geld war nicht nur ein Luxus, sondern Notwendigkeit für jeden Einzelnen von ihnen.
Der Geruch von frisch gedruckten Banknoten oder das Klicken von Münzen erregte Simon zwar nicht, aber er war der festen Überzeugung, dass ein Mann sich anders bewegte, anders lebte und auf einer ganz anderen Ebene existierte, wenn er über ein entsprechendes Einkommen verfügte. Auf ein großes Vermögen traf das erst recht zu. Das wollte er keinesfalls verlieren.
Roxbury hob einen der Kerzenständer hoch, um nun seinerseits die Zigarre zu entfachen.
Frauen. Geld. Ehe. Irgendwas Ruchloses ging hier vor sich, das spürte er ganz genau.
»Ich habe meine Pflichten als Vater immer erfüllt«, fuhr der Earl fort. »Ich habe für dich gesorgt, habe dich großgezogen und dir eine gute Erziehung angedeihen lassen. Und so weiter und so fort. Du jedoch hast deine Pflicht als mein Nachfolger bisher allerdings ganz und gar nicht erfüllt.«
Roxbury atmete tief ein und hauchte den Rauch in perfekten Ringen aus. Eine offenkundige Trotzreaktion, denn er wusste, welch ernste und offensichtliche Richtung dieses Gespräch jetzt einschlagen würde. Schon tausendmal hatten sie darüber erbittert gestritten.
»Ich habe über die Angelegenheit intensiv nachgedacht und auch mit deiner Mutter ausführlichst gesprochen. Wir beide sind der Ansicht, dass dies der beste Weg ist für dich.«
Offensichtlich erklärt Mutter sich mit allem einverstanden, was ihr Mann vorschlägt , dachte Roxbury bitter.
Sein Vater genoss einen Moment lang die Zigarre und ließ Roxbury auf heißen Kohlen schmoren. Verärgert und angespannt paffte Roxbury seine Zigarre.
»Dir bleibt genau ein Monat Zeit, eine Frau von anständiger Herkunft zu ehelichen«, erklärte der alte Mann. Roxbury verschluckte sich am Rauch seiner Zigarre. Sein Vater lächelte leicht und fuhr ungerührt fort: »Sollte es dir in dieser Zeit nicht gelingen, eine anständige Frau zu heiraten, werde ich deine Rechnungen nicht länger begleichen.«
»Armut oder Ehe?«, keuchte Roxbury.
»Exakt«, sagte der Earl und lächelte stolz und triumphierend.
»Das kann doch unmöglich erlaubt sein!«
»Das kümmert mich nicht. Und du kannst dir nicht die Anwälte leisten, die sich über diese Regelung mit mir streiten, weshalb es auch müßig ist, darüber zu spekulieren.« Das Lächeln wurde breiter.
»Das ist eine hinterhältige Manipulation und …« Roxbury hätte gerne noch hinzugefügt, dass diese einseitige Vereinbarung abscheulich sei, dass seine Menschenrechte damit verletzt würden und wie unsportlich das Verhalten seines Vaters war, doch der schnitt ihm energisch das Wort ab.
»Ehrlich gesagt finde ich, dass es ein Geniestreich ist.« Sein Vater schmauchte gemütlich an der Zigarre und ließ den Rauch in einem beständigen, grauen Strom entweichen, der sich mit der dicken Luft im Arbeitszimmer vermischte.
Roxbury konnte es immer noch nicht fassen. Es gab Tiere in der Wildnis, die ihre Jungen fraßen. Aber konnten Menschen genauso unbarmherzig sein? Sein Vater hatte es gerade bewiesen: Er schien wild entschlossen, den einzigen Sohn verhungern zu lassen, wenn dieser sich nicht für den Rest seines Lebens unter den Pantoffel stellen ließ. In der
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