Rivalen der Liebe
neuer Tischgenosse war, setzte ein heftiges Stühlerücken ein; allesamt standen die Herren an der Seite des Duke hastig auf und suchten das Weite. Die Gläser klapperten auf den Tischen, und die Zeitungen knisterten, als die Gentlemen ihre Sachen zusammensuchten und eilig am anderen Ende des Clubs nach einer neuen Sitzgelegenheit Ausschau hielten.
Was zum Teufel geht hier vor?
Der Duke of Hamilton und Brandon, der gemeinhin von allen Brandon genannt wurde und seit Langem mit ihm befreundet war, blickte Roxbury an und schüttelte dann den Kopf.
Der aufmerksame Diener des Clubs, Inchbald, der mindestens dreihundert Jahre alt sein musste, kam zu ihm herüber und stellte einen doppelten Brandy vor Roxbury. »Mylord, das werdet Ihr brauchen.«
»Um Himmels willen, was ist denn bloß passiert?«
Was hatte er jetzt wieder angestellt? Oder versäumt zu tun? Hatte das hier etwas mit dem an ihn gestellten Ultimatum zu tun? Mit seinen vergeblichen Besuchen am Morgen?
Brandon reichte seinem Freund nur stumm die Zeitung, die er gerade gelesen hatte. Es handelte sich um die London Weekly , ein beliebtes Revolverblatt, mit dem Roxbury nicht mal seine Schränke auslegen würde. Seiner Meinung nach verdankte die Klatschkolumnistin dieser Boulevardzeitung ihm ihre Karriere, denn seine Eskapaden tauchten recht häufig in ihren Kolumnen auf.
Er war natürlich nicht der Einzige, der Gegenstand ihrer wöchentlichen Artikel war. So hatte sie zum Beispiel Lord Wentworth’ Niedergang besiegelt, als sie in einem Nebensatz erwähnte, dass er sich in Opiumhöhlen herumtriebe. Dann hatte sie noch die intimen Details von Lord Hailes großartigem Heiratsantrag vor der ganzen Stadt enthüllt und mit der Neuigkeit aufgetrumpft, dass Susannah Carrington und George Granby bei Nacht und Nebel durchgebrannt seien. Sie verfolgte Roxburys Treiben so gewissenhaft und berichtete so ausführlich über seine täglichen Abenteuer, dass er ihre Kolumne gut und gerne als Tagebuch verwenden konnte.
»Wenigstens hast du eine gute Entschuldigung, warum du diesen Schwachsinn liest«, murrte Roxbury. Brandon hatte eines der berüchtigten Schreibfräulein der Weekly geheiratet, das bis dato als Miss Harlow bekannt war und wöchentlich in der Kolumne »Miss Harlows Hochzeiten in besseren Kreisen« berichtete.
Roxbury blätterte direkt zu »Geheimnisse der Gesellschaft« von Einer Lady mit Klasse auf Seite 6.
Bevor er sich an die Lektüre machte, nahm er nachdenklich einen ordentlichen Schluck Brandy. Er hätte wetten können, dass die Lady mit Klasse nicht halb so viel schreiben würde, wenn sie gezwungen würde, unter ihrem echten Namen zu veröffentlichen. Ehrlich gesagt überraschte es ihn, dass ihre Identität noch immer ein Geheimnis war. Die Spekulationen trieben die wildesten Blüten, und ein Großteil der Gesellschaft hatte sich auf Lady Dies oder Lady Das eingeschossen. Diesem Gewäsch schenkte Roxbury jedoch nicht die geringste Beachtung.
Doch jetzt hatte er das unangenehme Gefühl, dass sich dies schon bald ändern könnte.
Roxbury begann zu lesen.
Ist Londons berüchtigter Wüstling Lord R- die Frauen so gründlich leid, dass er sich jetzt dem stärkeren Geschlecht zuwenden muss?
Roxbury kippte seinen Drink mit einem großen Schluck herunter und spürte, wie der Brandy sich durch seine Speiseröhre brannte. Sein Blick klebte weiterhin auf der Seite, und er wagte nicht, aufzuschauen. Inchbald stand direkt hinter Roxburys Schulter und hielt die Flasche in der Hand. Als er das Glas absetzte, schenkte er sogleich nach.
Tatsächlich, liebe Leser! Ihr werdet nicht glauben, was die Verfasserin dieser Zeilen gesehen hat. Lord R-, in inniger Umarmung mit der liebenswerten J- K-, könnte man meinen, die noch die Hose trug, in der sie auf der Bühne ihre Rolle in She Would and She Would Not spielte. Doch bei einem Mann, der für seine Unersättlichkeit in sexueller Hinsicht hinreichend bekannt ist, weiß man ja nie, woran man tatsächlich ist.
Inchbald schenkte den dringend benötigten zweiten Brandy ein.
Jetzt war Roxbury jedenfalls klar, was all seine Bekannten von ihm denken mussten. Diese Zeilen erklärten jedenfalls, warum die Herren im Club eher peinlich berührt zu ihm herüberschauten und keine der Ladys, denen er am Morgen einen Besuch hatte abstatten wollen, für ihn zu sprechen gewesen war.
Er erschauderte, ja, es schüttelte ihn förmlich, weil er sich vorstellte, was für Gespräche wohl inzwischen in den Salons dieser Stadt über ihn
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