Rivalin der Götter erbin3
schwarz. Dann lächelte er mit mehr als nur ein bisschen seiner alten Grausamkeit und sagte: »Du weißt, dass ich das noch nie vorher gemacht habe.«
Ich versuchte, mir meine Sorge nicht anmerken zu lassen. »Sie unterscheidet sich nicht von anderer Magie. Betrachte es als Wunschdenken.« Doch wenn sein Denken nicht mit seinen Wünschen mithalten konnte …
»Ah, aber Si’eh, ich würde dich doch so gerne aus der Welt wünschen.«
Es war besser, ihm meine Angst zu zeigen. Er hatte das in den alten Zeiten immer kultiviert; er fühlte sich gerne mächtig. Also leckte ich mir über die Lippen und sah ihm in die Augen. »Ich dachte, ich wäre dir egal. Du hasst mich nicht, und du liebst mich nicht.«
»Das erschwert die ganze Sache. Vielleicht bedeutest du mir so wenig, dass ich mir nicht genug Mühe gebe, es richtig zu machen.«
Ich atmete tief durch und warf Glee einen Blick zu. Siehst du, mit wem du es zu tun hast? Doch sie zeigte keine Reaktion. Ihr schönes Gesicht blieb so ruhig wie zuvor. Sie wäre eine gute Arameri gewesen.
»Das mag sein«, sagte ich, »doch wenn dir Kunstfertigkeit oder Ähnliches etwas bedeutet, könntest du dann bitte sicherstellen, dass du mich auch wirklich auslöschst? Nicht, dass du stattdessen meine Innereien dünn auf dem Angesicht der Wirklichkeit verteilst. Ich habe das schon früher gesehen, es sieht schmerzhaft aus.«
Ahad lachte. Doch ein Gefühl, das in der Luft gehangen hatte – zusätzliche Schwere und Gefahr, die sich um uns herum verdichteten –, schwand. »Ich werde also vorsichtig sein. Ich bin gerne genau.«
Etwas fackerte. Ich fühlte mich auseinandergenommen und aus
der Welt gestoßen. Trotz Ahads Drohungen ging er doch recht sanft mit mir um. Dann setzte sich eine Umgebung um mich herum zusammen.
Arrebaia, die größte Stadt mitten zwischen den zankenden Stämmen, die beschlossen hatten, lieber gegen andere als gegeneinander zu kämpfen. Ich konnte mich noch an die Zeit erinnern, als sie noch nicht Darre waren, sondern Somem, Lapri und Ztoric. Meine Erinnerung reichte sogar noch weiter zurück, als sie noch Familien waren. Davor streiften sie als namenlose Nomaden umher. Das war allerdings vorbei. Ich stand auf einer Mauer im Herzen der Stadt und bewunderte insgeheim, wie sehr alles gewachsen war. Der riesige, undurchdringliche Dschungel, der in diesem Teil Hochnords vorherrschte, war am Horizont zu sehen. Er schimmerte so grün wie die Drachen, die durch andere Reiche fogen, oder wie die Augen meiner Mutter, wenn sie wütend war. Ich konnte seine Schwüle und das gewaltbestimmte, zerbrechliche Leben im Wind riechen. Um mich herum erstreckte sich ein Labyrinth aus Straßen, Tempeln, Statuen und Gärten. All dies zog sich auf steinernen Ebenen bis in die Stadtmitte. Die Steinebenen waren mit dem blassgrünen Ziergras, das die Darre kultivierten, bedeckt. Dadurch strahlte die Stadt im schwindenden Nachmittagslicht wie ein Smaragd.
Nicht weit vor mir ragte die gewaltige Pyramide von Sar-enna-nem auf. Ich nahm an, dass diese mein Ziel war, da Feinsinnigkeit nicht Ahads Stärke war.
Meine Ankunft war allerdings nicht unbemerkt geblieben. Ich spähte von der Mauer, auf der ich stand, hinunter und sah eine alte Frau mit einem ungefähr vier- oder fünfjährigen Jungen, die zu mir heraufstarrten. Sie waren die einzigen auf dieser belebten Straße, die stehen geblieben waren. Zwischen ihnen stand ein wackliger Karren, auf dem sich etwas Gemüse und Obst befand, nicht mehr ganz frisch. Ah ja – der Markttag ging zu Ende. Ich setzte mich auf die Mauer und ließ meine Füße baumeln. Dabei
fragte ich mich, wie zur Hölle ich hier herunterkommen sollte. Die Mauer war gut zehn Fuß hoch, und ich konnte mir jetzt die Knochen brechen. Verdammt sei Ahad.
»He da«, sagte ich auf Senmitisch. »Wisst Ihr, ob diese Mauer bis zur Sar-enna-nem führt?«
Der Junge runzelte die Stirn. Die alte Frau sah nachdenklich aus. »Alles in Arrebaia führt zur Sar-enna-nem«, sagte sie. »Doch es könnte schwierig für Euch werden, hineinzugelangen. Man empfängt Fremde in der Stadt schon wesentlich wohlwollender als früher, doch der Weg in den Tempel bleibt ihnen durch einen Erlass unserer ennu verwehrt.«
»Tempel?«
»Sar-enna-nem«, sagte der Junge. Sein Ausdruck war plötzlich verächtlich. »Du weißt auch gar nichts, oder?«
Er sprach mit dem stärksten Akzent, den ich seit Jahrhunderten gehört hatte. Sein Senmitisch war gebeugt durch den gurgelnden Fluss der
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