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Rivalin der Götter erbin3

Rivalin der Götter erbin3

Titel: Rivalin der Götter erbin3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: jemisin
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Kindheit: glatte, dicke Wangen, ein schelmisch grinsender Mund, große geweitete Augen, eine breite Stirn, die darauf wartete, mit Wissen gefüllt zu werden. Dezente Intarsienarbeiten und Farbe waren um den Mund herum aufgetragen worden. Einiges davon war sehr realistisch, anderes vollkommen abstrakt. Geometrische Gestaltung und Lachfältchen. Irgendwie
sah es so aus, als ob das Grinsen der Maske einfache Freude oder sadistische Grausamkeit ausdrücken konnte –  oder Freude an der Grausamkeit. Die Augen hätten mit der Befriedigung des Lernens aufeuchten können, oder vor Entsetzen über all das Böse, das Sterbliche ihren Kindern antaten. Ich berührte ihre steifen Lippen. Einfach nur Holz und Farbe. Dennoch …
    »Euer Künstler ist ein Meister seines Fachs«, sagte ich.
    »Die Künstler. Die Kunst, diese Masken herzustellen, ist nicht nur auf die Darr beschränkt. Auch die Mencheyev machen sie und die Tok; all unsere Länder erhielten die Saat dafür von einem Volk, das sich Ginji nannte. Vielleicht erinnert Ihr Euch an sie.«
    Das tat ich. Es war eine der üblichen Arameri-Auslöschungen gewesen. Zhakkarn spürte in ihren vielfältigen Gestalten auch den Letzten dieses Volkes auf. Kurue löschte jede Erwähnung aus Büchern, Schriftrollen, Geschichten und Liedern und schrieb ihre Errungenschaften anderen zu. Und ich? Ich hatte das Ganze ins Rollen gebracht, indem ich den König der Ginji überlistet hatte, sodass er einen Arameri beleidigte. Das gab ihnen einen Vorwand, anzugreifen.
    Sie nickte. »Sie nannten diese Kunst dimyi. Ich weiß nicht, was das Wort in ihrer Sprache bedeutet. Wir nennen es ›dämpfen‹.« Sie benutzte Senmitisch, um das Wortspiel deutlich zu machen. Das Wort für sich genommen war bedeutungslos, doch seine Wurzel wies auf den Zweck der Maske hin: ihren Träger herabzuwürdigen, ihn auf nichts weiter als den Archetyp, den die Maske darstellte, zu reduzieren.
    Und wenn dieser Archetyp der Tod war … Ich dachte an Nevra und Criscina Arameri und verstand.
    »Es begann als Witz«, fuhr sie fort, »doch im Laufe der Zeit blieb der Ausdruck haften. Wir haben viele der Ginji-Techniken verloren, als das Volk vernichtet wurde, doch ich glaube, unsere Dämpfer –  die Künstler, die die Masken herstellen –  haben gute Arbeit geleistet und die Unterschiede herausgearbeitet.«

    Ich nickte und starrte das Kind immer noch an. »Gibt es viele dieser Künstler?«
    »Genug.« Schulterzucken – sie war also nicht vollkommen offen.
    »Vielleicht solltet Ihr diese Künstler stattdessen ›Mörder‹ nennen.« Ich wandte mich um und sah Usein bei meinen Worten an.
    Usein erwiderte den Blick standhaft. »Wenn ich Arameri töten wollte«, sagte sie langsam und präzise, »dann würde ich nicht nur einen oder gar ein paar töten. Und ich würde mir dabei keine Zeit lassen.«
    Nein, sie log nicht. Ich ließ meine Hände sinken, runzelte die Stirn und versuchte, das zu verstehen. Wie konnte es sein, dass sie nicht log? »Aber Ihr könnt Magie mit diesen Dingern ausüben.« Ich nickte in Richtung des Kindes. »Irgendwie.«
    Sie hob eine Augenbraue. »Ich kenne die Leute nicht, für die Ihr arbeitet, Lord Si’eh. Ich kenne Eure Ziele nicht. Warum also sollte ich meine Geheimnisse mit Euch teilen?«
    »Wir können dafür sorgen, dass es sich für Euch lohnt.«
    Der Blick, den sie mir zuwarf, war voller Verachtung. Ich musste zugeben, es hatte ein wenig klischeehaft geklungen.
    »Es gibt nichts, das Ihr mir anbieten könntet«, sagte sie und stand mit der Unsicherheit, die schwangeren Frauen eigen war, auf. »Nichts, das ich möchte oder von jemandem brauche, egal ob Gott oder Sterblichem …«
    »Usein.«
    Die Stimme eines Mannes. Ich drehte mich erschreckt herum. Die ofene Tür der Galerie umrahmte einen Mann, der zwischen den fackernden Kerzenleuchtern stand. Wie lange befand er sich schon dort? Mein Gespür für diese Welt ließ bereits nach. Zunächst dachte ich, sein Wabern wäre das Ergebnis eines Lichtspiels, doch dann erkannte ich, was ich sah: ein Gottkind, das fast fertig damit war, seine Gestalt für das Reich der Sterblichen anzunehmen. Sein Gesicht nahm die endgültige Form an …

    Ich blinzelte und runzelte die Stirn.
    Er trat weiter hinaus in das Licht. Die Züge, die er gewählt hatte, waren nicht dazu angetan, ihn anzupassen. Er war klein, ungefähr meine Größe. Braune Haut, braune Augen, dunkelbraune Lippen –  und damit endeten die Gemeinsamkeiten mit sterblichen

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