Rivalin der Götter erbin3
ihr aufgrund ihrer untersetzten, umfangreichen Figur nicht so ofensichtlich war. Die Seele ihres Kindes war allerdings gewachsen, deshalb erkannte ich die Schwangerschaft.
In dem Moment, als wir die Türschwelle hinter uns ließen, wusste ich, warum Usein mich hergebracht hatte. Magie und Glaube tanzten auf meiner Haut wie Regentropfen auf der Oberfäche eines Teichs. Ich schloss meine Augen und genoss das Gefühl, sog es auf, während ich über die schimmernden Mosaiksteine schritt. Ich ließ meine wiedererwachten Sinne meine Schritte lenken. Es war Monate her, seit ich die Welt in vollem Umfang gespürt hatte. Ich lauschte und hörte die Lieder, die zuletzt vor dem Krieg der Götter gesungen worden waren. Sie hallten von den gewölbten Decken der Sar-enna-nem wider. Ich leckte mir über die Lippen und schmeckte den mit Blutstropfen versetzten Gewürzwein, der einst als Opfergabe benutzt worden war. Wie benommen streckte ich meine Hände aus und streichelte die Luft dieses Ortes. Sie erwiderte meine Liebkosung, und ich zitterte.
Illusionen und Erinnerungen, das war alles, was mir geblieben war. Ich hütete sie, so gut ich eben konnte.
Nur wenige Menschen befanden sich in dem Tempel, als wir eintraten: ein Mann in Priestergewandung, eine beleibte Frau, die zwei quengelnde Kleinkinder trug, einige Gläubige, die in der Gebetsabteilung knieten, sowie einige unaufällige Wächter. Ich fand meinen Weg um sie herum, ebenso wie um die kleinen
Marmorstatuen, die überall auf Sockeln standen, und ließ mich von dem Echo leiten. Als ich die Augen öfnete, schaute mich die Statue, vor der ich stand, mit untypischem Ernst auf ihren filigranen Zügen an. Ich streckte meine Hand aus, um ihr kleines, freches Gesicht zu berühren, und seufzte wegen meiner verlorenen Schönheit.
Usein Darr klang nicht überrascht. »Das dachte ich mir. Willkommen in Darr, Lord Si’eh. Obwohl ich gehört habe, dass Ihr nach dem Tod T’vril Arameris aufgehört habt, Euch in die Angelegenheiten Sterblicher einzumischen.«
»Das hatte ich, ja.« Ich wandte mich von der Statue, die mich darstellte, ab und stemmte ebenfalls eine Hand in die Hüfte. »Allerdings haben die Umstände mich zum Handeln gezwungen.«
»Und jetzt helft Ihr den Arameri, die Euch vorher versklavt hatten?« Man musste ihr zugutehalten, dass sie nicht lachte.
»Nein. Ich tue das nicht für sie.«
»Dann also für den Lord der Finsternis? Oder meine ehrenwerte Vorgängerin, Yeine- ennu?«
Ich schüttelte meinen Kopf und seufzte. »Nein, nur für mich. Und einige andere Gottkinder und Sterbliche, die gerne darauf verzichten würden, zu einem Chaos ähnlich der Zeit vor dem Krieg der Götter zurückzukehren.«
»Einige würden das ›Freiheit‹ nennen. Ich hätte gedacht, dass Ihr es auch so nennt, wenn man bedenkt, was danach geschah.«
Ich nickte langsam und seufzte. Das Ganze hier war ein Fehler. Glee hätte mich niemals auf eine derartige Mission entsenden dürfen. Ich würde bei Verhandlungen mit Usein keine gute Arbeit leisten, weil ich eigentlich nichts gegen ihre Ziele hatte. Mir war es egal, ob das Reich der Sterblichen wieder in Unfrieden und Kampf versank. Alles, das mir etwas bedeutete, war …
Shahar. Ihr weicher Blick, ihre Augen voller Zärtlichkeit, die ich nie erwartet hatte, als ich ihr alles beibrachte, was ich über Lust wusste. Deka, immer noch ein Kind, das schüchtern errötete und sich in meine Nähe begab, sooft er konnte …
Ablenkung. Eine Erinnerung. Ich hatte einen Eid geschworen.
»Ich erinnere mich daran, wie Eure Welt damals war«, sagte ich leise. »Ich weiß noch, wie Darrekinder in ihren Krippen verhungerten, weil Feinde Eure Wälder niederbrannten. Ich sehe noch das rotgefärbte Wasser der Flüsse vor mir, Felder, die grüner und reicher erblühten, weil die Erde so viel Blut aufgesogen hatte. Wollt Ihr wirklich wieder dahin zurück?«
Sie kam zu mir und schaute lieber das Gesicht der Statue an als mich. »Habt Ihr wirklich den Wandelnden Tod erschafen?«
Ich zuckte überrascht und plötzlich voller Unbehagen zusammen.
»Er scheint die Art Krankheit zu sein, die Ihr erschafen würdet«, sagte sie mit brutaler Sanftheit. »Schelmisch. Seit der Zeit von Yeine- ennu hat es keinen einzigen Ausbruch mehr gegeben, aber ich habe die Berichte gelesen. Sie lauert wochenlang, bevor die Symptome auftreten, und verbreitet sich in der Zwischenzeit immer weiter. Auf ihrem Höhepunkt scheinen die Opfer der Krankheit lebendiger als je
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