Rivalin der Götter erbin3
»Also hat jedes Hochblut in Elysium das gesehen.« Doch dann stutzte ich. »Diese maskentragenden Mörder allerdings … Götter, Deka, wenn irgendjemand deiner Verwandten dich tot sehen will, hast du ihnen eine Karte mit den besten Orten für einen Hinterhalt geliefert!«
»Und wenn Mutter mich mit den üblichen Höfichkeitswachen abspeist, wird genau das geschehen.« Er zuckte mit den Schultern. »Als Familienoberhaupt muss sie zumindest den Schein wahren, dass sie versucht, die Zentralfamilie, also die Blutlinie der Matriarchin, zu beschützen. Alles andere würde sie als Anführerin unfähig erscheinen lassen. Also wird sie wahrscheinlich eine ganze
Legion entsenden, um mich zu begleiten – deshalb die zwei Monate Reisezeit.«
»In deiner eigenen Falle gefangen. Armer Deka.« Er lächelte, und ich grinste zurück. Dennoch war ich ernüchtert. »Aber was, wenn es doch einen Angrifgibt? Mörder, egal, wer sie gedungen hat? Eine Legion feindlicher Soldaten?«
»Mir wird schon nichts passieren.«
Es gab Überheblichkeit, und es gab Dummheit. »Du solltest Angst haben, Deka, egal, wie mächtig du geworden bist. Ich habe diese Maskenmagie gesehen. Sie ist mit nichts vergleichbar, auf das Literia dich vorbereitet hat.«
»Ich habe Shevirs Aufzeichnungen gesehen. Die Literia war in die Untersuchung dieser neuen Magieform einbezogen. Die Masken sind wie die Schreibkunst, wie die Göttersprache: einfach eine symbolische Darstellung eines Konzepts. Sobald man es verstanden hat, ist es möglich, eine Gegenmaßnahme zu entwickeln.« Er zuckte mit den Schultern. »Und diese Maskenmacher wissen nichts über meine neue Magieform. Niemand weiß etwas, außer mir. Und jetzt dir.«
»Ähm. Oh.« Ich verfiel wieder in unbehagliches Schweigen. Plötzlich lächelte Deka.
»Das gefällt mir«, sagte er und nickte mir zu. »Du hast dich verändert, und nicht nur körperlich. Du bist nicht mehr nur die Göre. Du bist mehr …« Er dachte einen Moment nach.
»Ein herzloser Bastard?« Ich lächelte. »Ein nervtötender Arsch?«
»Müde«, sagte er zu meiner Ernüchterung. »Dir deiner selbst nicht sicher. Das alte Du ist immer noch da, doch es ist fast gänzlich unter anderen Dingen verschüttet. Am meisten unter Angst.«
Die Worte schmerzten auf unerklärliche Weise. Ich starrte ihn an und fragte mich, weshalb das so war.
Sein Ausdruck wurde weicher; eine unausgesprochene Entschuldigung.
»Es muss schwer für dich sein, dem Tod ins Gesicht zu sehen, wo du doch ein Geschöpf mit so viel Leben bist.«
Ich schaute weg. »Wenn die Sterblichen das können, dann kann ich das auch.«
»Das können nicht alle Sterblichen, Si’eh. Du hast dich noch nicht zu Tode gesofen oder dich in gefährliche Situationen geworfen oder dich auf hundert andere mögliche Weisen selbst getötet. Wenn man bedenkt, dass der Tod für dich eine neue Realität ist, gehst du erstaunlich gut damit um.« Er beugte sich vor, stützte die Ellenbogen auf seine Knie und sah mir durchdringend in die Augen. »Doch die größte Veränderung ist, dass du nicht mehr glücklich bist. Du warst immer einsam; das habe ich sogar als Kind gesehen. Doch die Einsamkeit hat dich damals nicht zerstört. Jetzt tut sie es.«
Ich zuckte vor ihm zurück. Meine Gedanken wanderten von verblüft zu beleidigt. Da ihnen aber die Stärke fehlte, sich vollends dorthin zu begeben, pendelten sie zwischen beidem hin und her. Eine Lüge lag mir auf den Lippen und erstarb ebenfalls. Es blieb nur Schweigen.
Ein Hauch seiner alten Selbstzerfeischung huschte über Dekas Gesicht. Er lächelte reumütig. »Ich will dir immer noch helfen, doch ich weiß nicht, ob ich es kann. Du weißt zum einen nicht einmal mehr, ob du mich noch magst.«
»Ich …«, platzte es aus mir heraus. Dann stand ich auf und ging von ihm weg hinüber zu den Fenstern. Das musste sein. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte, und ich wusste nicht, wie ich mich verhalten sollte. Außerdem wollte ich nicht, dass er noch etwas sagte. Wäre ich noch im Besitz meiner Macht gewesen, hätte ich Literia einfach verlassen. Vielleicht sogar das sterbliche Reich. Momentan blieb mir nur die Flucht ans andere Ende des Zimmers.
Sein Seufzer folgte mir, doch er sagte lange Zeit nichts. In diesem Schweigen begann ich, mich zu beruhigen. Warum war ich
so aufgewühlt? Ich fühlte mich wieder wie ein Kind; eins, auf dessen Haut Anstecknadeln tanzten wie in einem alten temanischen Märchen, das ich gehört hatte. Als Deka sprach, war
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