Rivalin der Götter erbin3
ich beinahe wieder ich selbst. Nun ja, nicht ich selbst, aber wenigstens ein Mensch.
»Du bist vor all diesen Jahren zu uns gekommen, weil du etwas brauchtest, Si’eh.«
»Nicht zwei sterbliche Gören«, fuhr ich ihn an.
»Vielleicht nicht. Doch wir haben dir etwas gegeben, das du brauchtest, und du bist noch zweimal dafür zurückgekehrt. Am Ende hatte ich recht. Du wolltest unsere Freundschaft. Ich habe nie vergessen, was du an jenem Tag gesagt hast: ›Freundschaften können die Kindheit überdauern, sofern die Freunde sich auch dann weiterhin vertrauen, wenn sie älter werden und sich verändern.‹« Ich hörte, wie er sich in seinem Sessel hinter meinem Rücken bewegte. »Das war eine Warnung.«
Ich seufzte und rieb mir die Augen. Das Fleisch und das Brot lagen mir schwer im Magen. »Es war sentimentales Geschwafel.«
»Si’eh.« Wie konnte er, obwohl er so jung war, so viel wissen? »Du hattest vor, uns zu töten. Wenn wir die Sorte Arameri geworden wären, die dein Leben einst zur Hölle machten, wenn wir dein Vertrauen missbraucht hätten, wusstest du, dass du uns töten musstest. Der Eid und deine Natur hätten es verlangt. Du hast uns das gesagt, weil du es nicht wolltest. Du wolltest echte Freunde. Freunde, die blieben.«
War es das gewesen? Ich lachte ohne jede Hofnung. »Und jetzt bin ich derjenige, der nicht mehr lange vor sich hat.«
»Si’eh …«
»Wenn das, was du sagst, richtig ist, hätte ich Shahar getötet, Deka. Sie hat mich verraten. Sie wusste, dass ich sie liebte, und sie hat mich benutzt. Sie …« Ich zögerte und sah dann mein Spiegelbild im Fenster. Mein eigenes Gesicht im Vordergrund, verknifen und müde, wie immer zu groß, aber mit falscher Form
und alt. Ich hatte noch nie verstanden, warum so viele Sterbliche mich in dieser Form attraktiv fanden. Im Hintergrund beobachtete mich Deka von dem Sofa, auf dem er saß. Unsere Blicke trafen sich in dem Glas.
»Ich habe mit ihr geschlafen«, sagte ich, um ihn zu verletzen. Damit er still war. »Um genau zu sein, war ich ihr Erster. Kleine Lady Shahar, so vollkommen, so niedlich. Du hättest ihr Stöhnen hören sollen, Deka; es war, als ob der Mahlstrom singt.«
Deka lächelte nur, obwohl es gezwungen wirkte. »Ich hörte von Mutters Plan.« Er zögerte. »Ist das der Grund, warum du Shahar nicht getötet hast? Weil es Mutters Plan war und nicht ihrer?«
Ich schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht, warum ich sie nicht getötet habe. Es gab kein Warum. Ich tue das, was sich gut anfühlt.« Ich rieb meine Schläfen, von wo aus sich nun doch Kopfschmerzen ausbreiteten.
»Und du hattest keine Lust, das Mädchen, das du liebst, zu ermorden.«
»Götter, Deka!« Ich ging auf ihn los und ballte die Fäuste. »Warum reden wir überhaupt darüber?«
»Also war es reine Lust? Der Gott der Kindheit bespringt die erste halbwüchsige Frau, die bereit dazu ist?«
»Nein, natürlich nicht!«
Er seufzte und stand auf. »Sie war also nur eine beliebige Arameri, die dich in ihr Bett gezwungen hat?« Der Ausdruck auf seinem Gesicht zeigte, dass er nicht im Entferntesten daran glaubte. »Du wolltest sie. Du hast sie geliebt. Sie hat dein Herz gebrochen. Und du hast sie nicht getötet, weil du sie immer noch liebst. Warum beunruhigt dich das so?«
»Tut es nicht«, sagte ich. Tat es aber wohl. Es sollte nicht so sein. Doch warum spielte es für mich eine Rolle, dass eine Sterbliche genau das getan hatte, was ich von ihr erwartete? Einem Gott sollten solche Dinge egal sein. Ein Gott …
… sollte keine Sterbliche brauchen, um glücklich zu sein.
Götter, Götter. Was stimmte nicht mit mir? Götter!
Deka seufzte und kam zu mir herüber. In seinen Augen war viel zu lesen: Mitleid, Trauer, Wut – die sich aber nicht gegen mich richtete. Erschöpfung. Und noch etwas. Er blieb vor mir stehen. Ich war nicht so überrascht, wie ich hätte sein sollen, als er seine Hand hob und an meine Wange legte. Ich entzog mich ihm auch nicht. Obwohl ich das hätte tun sollen.
»Ich werde dich nicht verraten«, murmelte er viel zu weich. So sprach kein Freund zu einem Freund. Seine Fingerspitzen zeichneten meine Kieferlinie nach. Das war nicht die Berührung eines Freundes. Doch … Ich hätte nicht gedacht … O Götter, war er etwa … »Ich gehe auch nirgendwohin. Ich habe so lange auf dich gewartet, Si’eh.«
Erschrocken zuckte ich zusammen, als ich mich erinnerte. »Warte, woher weißt du …«
Dann küsste er mich, und ich fiel.
In
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