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Rivalin der Götter erbin3

Rivalin der Götter erbin3

Titel: Rivalin der Götter erbin3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: jemisin
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anderen Platz zu machen. Der Muscheljunge blieb einige Fuß entfernt. Bei dem Anblick riss er die Augen weit auf. Ich konnte es ihm nicht verübeln. Sie war großartig.
    »Die Zeit war niemals so gradlinig, wie Itempas es gerne gehabt hätte«, sagte sie und streichelte meine Wange. »Sie ist ein Netz, und wir alle tanzen auf seinen Fäden. Du weißt das.«
    Ich nickte und setzte mich im Schneidersitz vor sie. »Niemand tanzt wie du, Schwester. Erzähl mir, so viel du kannst.«
    Sie nickte und schwieg dann einen Moment. »Ein Flächenbrand ist entzündet worden.« Ganz kurz sah ich, während sie sprach, fingerartige Fühler hinter ihren menschlichen Zähnen tanzen. Sie benutzte Magie zum Sprechen, wenn sie in diesem Zustand war, sonst hätte sie furchtbar gelispelt. Nun, sie war schon immer eitel gewesen.
    »Ein Feuer?«, drängte ich, als sie schwieg. Der Blick in ihren Augen fackerte. Sie durchsuchte Reiche, die ich niemals hatte besuchen können; noch nicht einmal als Gott. Deshalb war ich hergekommen. Es war schwer, Spinne davon zu überzeugen, die Vergangenheit oder die Zukunft zu durchsuchen, weil sie nicht gern auf diesen Pfaden tanzte. Sie machten sie merkwürdig und gefährlich, dabei wollte sie doch nur herumwirbeln, sich verpaaren und essen. So gesehen war sie wie ich. Vor langer Zeit hatten wir beide andere Formen gehabt und waren es gewohnt gewesen, unsere Naturen auf andere Weise zu erforschen. Wir bevorzugten die neuen Wege, doch man konnte die Vergangenheit nie ganz hinter sich lassen.
    »Die neue ennu der Darre ist, glaube ich, das Zündholz. Doch dieses Feuer wird weit, weit über dieses Reich hinaus brennen.«
    Bei diesen Worten runzelte ich die Stirn. »Wie können sterbliche Machenschaften mehr als nur sterbliches Leben betrefen?« Doch das war eine törichte Frage. Ich hatte zweitausend Jahre
damit zugebracht, unter dem Bösen eines einzelnen Sterblichen zu leiden.
    Sie schauderte. Ihre Augen wurden glasig, doch sie verlor keinen Moment die Balance auf ihrem Zeh. Der Muscheljunge kniete im Sand und runzelte die Stirn. Sein Eimer stand vor ihm. Wenn er sie befriedigte, hatte er Glück. Sie würde mit ihm für ein paar Stunden Liebe machen und ihn dann fortschicken. Wenn er nicht so viel Glück hatte … nun ja. Die Muscheln waren eine feine Vorspeise. Die Sterblichen, die beschlossen, uns zu lieben, kannten die Risiken.
    »Eine Seemuschel.« Ihre Stimme wurde zu einem leisen Murmeln, gleichmäßig und ohne Betonung. »Sie schwebt auf grünem Holz und blendend weißen Knochen. Darin befinden sich Verrat, Liebe, Jahre und noch mehr Verrat. Ah, Si’eh. All deine alten Fehler kommen zurück, um dich heimzusuchen.«
    Ich seufzte und dachte an Shahar, Deka und Itempas, um nur einige zu nennen. »Ich weiß.«
    »Nein. Du weißt gar nichts. Besser gesagt, doch, aber das Wissen ist zu tief vergraben. Um genau zu sein, war es das.« Sie legte den Kopf schief, und Dutzende von Pupillen weiteten sich gleichzeitig. Ihre Augen, die mit Löchern übersät waren, zogen an mir. Ich sah in sie hinein und erhaschte einen Blick auf tiefe Abgründe, die mit hauchdünnen Fäden übersponnen waren. Schnell lehnte ich mich zurück und wandte meinen Blick ab. Jeder, der in Spinnes Welt gezogen wurde, gehörte ihr, und sie ließ nicht alle wieder gehen. Noch nicht einmal, wenn sie sie liebte.
    »Der Wind bläst jeden Moment lauter«, füsterte sie. »Si’eh, Si’eh, Si’eh, füstert er in den Hallen des Unfassbaren. Etwas bewegt sich in diesen Hallen, zum ersten Mal seit Enefas Geburt. Es lebt. Es denkt. Es wägt dich ab.«
    Dieser Unsinn war keineswegs, was ich erwartet hatte; und eigentlich auch nicht das, was ich hören wollte. Ich runzelte die Stirn, leckte mir über die Lippen und fragte mich, wie ich sie wieder
zu dem Wissen, das ich benötigte, zurücklenken konnte. »Was ist mit Ka’hel, Schwester? Dem Feind der Arameri?«
    Plötzlich schüttelte sie nachdrücklich den Kopf und schloss die Augen. »Er ist dein Feind, Si’eh, nicht ihrer. Sie sind unbedeutend. Unschuldige –   ha! – Randfiguren.« Sie schauderte, und zu meiner Überraschung wackelte sie plötzlich auf ihrem Zeh und hätte beinahe das Gleichgewicht verloren. Der Muscheljunge schaute plötzlich auf. Sein Gesicht war eifrig angespannt. Ich hörte, wie er ein leises, intensives Gebet murmelte. Wir haben Gebete niemals gebraucht, aber wir mögen sie. Sie fühlen sich an wie … hmm. Wie eine stützende Hand im Rücken. Sogar Götter

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