Rivalin der Götter erbin3
finster. »Neue Leute müssen ausgebildet werden, man muss ihnen alles zeigen, und sie müssen überwacht werden. Bis sie so weit sind, wird das meine Teams verlangsamen, und die Arbeit wird nicht schneller von der Hand gehen.«
Shahar seufzte. Ich hörte die Erschöpfung in ihrer Stimme. Gleichzeitig bemerkte ich ihre Anstrengung, dies für sich zu behalten. »Das war das einzige Zugeständnis, das ich ihr abringen konnte, Deka. Sie ist heutzutage wie ein Ketzer; erfüllt mit einem Eifer, den kein vernünftiger Mensch nachvollziehen kann.« Darin lag eine gewisse Bitterkeit, die sie nur deshalb zeigte, weil wir sie ohnehin bemerkt hätten. Dessen war ich mir sicher. War sie aufgebracht wegen Remaths Entscheidung, dem itempanischen Glauben abzuschwören? Wenn man all unsere Probleme bedachte, war das eine sinnlose Sorge.
»Warum?«
»Wer weiß das schon. Wenn ich die Zeit hätte, gegen sie zu intrigieren, würde ich sie des Wahnsinns bezichtigen und mir Rückhalt in der Familie für einen Umsturz suchen. Doch das ist vielleicht genau der Grund, warum sie mich hierhin geschickt hat, wo ich nicht so eine große Gefahr darstelle.« Sie lachte einmal auf, drehte sich um, stockte und starrte mich an. Ich seufzte, während sie meine neue Gestalt des mittleren Alters verinnerlichte.
Zu meiner Überraschung lächelte sie. In dem Lächeln lag keine Bösartigkeit, nur Mitgefühl und ein Hauch Mitleid. »Du solltest wie mein Vater aussehen«, sagte sie, »doch mit dem angewiderten Ausdruck auf deinem Gesicht ist es ofensichtlich, dass du immer noch derselbe rotzfreche kleine Junge bist, den wir vor all den Jahren kennengelernt haben.«
Trotz allem musste ich lächeln. »Das ist nicht so schlimm«, sagte ich. »Wenigstens habe ich die Pubertät hinter mir. Hab ich noch nie gemocht; ich will entweder jemanden töten oder mit ihm Sex haben.«
Ihr Lächeln verblasste. Dann fiel es mir ein: Ich war mit ihr zusammen gewesen, als wir beide noch in der Pubertät waren. Vielleicht hatte sie liebevolle Erinnerungen an etwas, über das ich grade einen Witz gemacht hatte. Mein Fehler!
Sie seufzte, drehte sich um und lief auf und ab. »Ich werde mich auf euch beide noch mehr als sonst verlassen müssen. Was jetzt geschieht, ist beispiellos. Ich habe die Familienarchive überprüft. Ich weiß wirklich nicht, was Mutter sich dabei denkt.« Endlich blieb sie stehen und drückte die Finger gegen die Stirn, als ob sie furchtbare Kopfschmerzen hätte. »Sie macht mich zum Familienoberhaupt.«
Eine Weile herrschte Stille, während wir ihre Worte verarbeiteten. Deka reagierte vor mir und war entsetzt. »Wie kannst du Oberhaupt sein, wenn sie noch lebt?«
»Genau. Das hat es noch nie gegeben.« Sie wandte sich plötzlich an uns. Wir zuckten beide zurück, als wir das pure Elend in ihrem Gesicht sahen. »Deka … Ich glaube, sie bereitet sich darauf vor, zu sterben.«
Deka ging zu ihr, ganz der liebende Bruder, und nahm ihren Ellenbogen. Sie lehnte sich mit solch vollkommenem Vertrauen an ihn, dass ich mich unerwartet schuldig fühlte. Hatte sie uns in jener Nacht aufgesucht, um Trost zu finden, und hatte uns vorgefunden, wie wir uns gegenseitig Trost spendeten mit völligem
Desinteresse ihr gegenüber? Wie musste sie sich gefühlt haben, uns beim Liebesspiel zu beobachten, während sie da stand, allein, ohne Freunde, ohne Hofnung?
Ganz kurz nur sah ich sie wieder am Fenster, stocksteif mit den Händen hinter dem Rücken. Ich sah Itempas, der den Horizont anstarrte, stocksteif, zu stolz, um seine Einsamkeit zuzugeben.
Ich ging zu ihnen und streckte meine Hand nach ihr aus. Im letzten Moment zögerte ich. Doch ich hatte nicht vollkommen aufgehört, sie zu lieben. Also legte ich eine Hand auf ihre Schulter. Sie erschrak und hob den Kopf, um mich anzusehen. Ihre Augen glänzten vor ungeweinten Tränen. Ihr Blick durchsuchte meinen nach … nach was? Vergebung? Ich war mir nicht sicher, ob ich das in mir hatte. Doch Bedauern, ja, das hatte ich.
Natürlich konnte ich einen so mächtigen Moment nicht ohne Witz vorübergehen lassen. »Und ich dachte schon, ich hätte problematische Eltern.« Der Witz war nicht besonders gelungen.
Dennoch kicherte sie und blinzelte schnell gegen die Tränen an. Sie versuchte, sich zu sammeln. »Manchmal wünschte ich, dass ich sie immer noch töten wollte.« Der Witz war besser, oder wäre es gewesen, wenn nicht ein Körnchen Wahrheit darin gelegen hätte. Ich lächelte trotzdem, wenn auch unbehaglich.
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