Rivalin der Götter erbin3
eigene Persönlichkeit beeinfussten die Linien ihres Gesichts. Dennoch war sie auf eine kalte, machtvolle Weise schön. Und sie hatte keine Angst vor mir.
»Ja, ja, das weiß ich«, erwiderte ich und stellte mich vor sie. Ich hatte mir bisher nicht die Mühe gemacht, mir Kleidung zu beschwören oder zu stehlen. Daher waren bestimmte Körperteile genau auf Augenhöhe der Lady, wenn sie aufsah. Ob ich sie dazu bekommen konnte? »Ausgesprochen diplomatisch, Lady Arameri, insbesondere, wenn man bedenkt, dass die Hälfte meiner Familie Euch töten möchte und die andere Hälfte sich nicht darum schert, ob die erste Hälfte es tut. Ich nehme an, dass Shahar Euch alles erzählt hat?«
Sie schluckte den Köder nicht – verdammt sei sie! – und hielt ihren Blick nach unten gerichtet. »Ja. Mein Beileid zum Verlust Eurer Unsterblichkeit, Lord Si’eh.«
Miststück. Ich sah sie finster an und verschränkte meine Arme. »Sie ist nicht verloren, sie ist nur zeitweilig abhandengekommen. Und ich bin immer noch ein Gott, ob ich ewig lebe oder morgen sterbe.« Ich klang gereizt. Sie manipulierte mich, und ich
war ein Narr, das zuzulassen. Mürrisch ging ich zu den Fenstern und drehte ihnen den Rücken zu, um meinen Ärger zu verbergen. »Nun steht schon auf. Ich hasse sinnlose Formalitäten oder falsche Demut – was auch immer das hier sein soll. Wie heißt Ihr und was wollt Ihr?«
Stofraschelte leise, als sie sich erhoben. »Ich bin Remath Arameri«, verkündete die Lady, »und ich möchte Euch nur zurück in Elysium willkommen heißen – als Ehrengast natürlich. Wir werden Euch jede Annehmlichkeit zuteilwerden lassen. Ich habe bereits unser Schreiberkorps angewiesen, Euren … Zustand zu erforschen. Es gibt sicherlich wenig, das wir Sterblichen tun können, was die Götter nicht schon versucht hätten, doch wenn wir etwas in Erfahrung bringen, werden wir es Euch selbstverständlich mitteilen.«
»Selbstverständlich«, sagte ich, »zumal Ihr es jedem anderen Gott, der Euch bedroht, antun könntet, sobald Ihr herausgefunden habt, wie es bei mir hervorgerufen wurde.«
Ich war zufrieden, als sie das nicht abzustreiten versuchte. »Ich würde meine Pfichten vernachlässigen, wenn ich es nicht versuchte, Lord Si’eh.«
»Ja, ja.« Ich runzelte die Stirn, als etwas, das sie gesagt hatte, meine Aufmerksamkeit erregte. »Schreiber korps? Ihr meint den Ersten Schreiber und seine Assistenten?«
»Die Welt der Sterblichen hat sich verändert, seitdem Ihr das letzte Mal unter uns weiltet, Lord Si’eh«, sagte sie. So konnte man auch die Jahrhunderte der Sklaverei wie Urlaub klingen lassen. »Wie Ihr Euch vorstellen könnt, war der Verlust der Enefadeh – und damit Eurer Magie – ein schwerer Rückschlag für unsere Anstrengungen, Ordnung und Reichtum in der Welt zu erhalten. Es wurde notwendig, dass wir mehr Kontrolle über all die Schreiber erlangten, die die Literia hervorbrachte.«
»Also habt Ihr – mit anderen Worten – eine Armee von Schreibern. Die zu Eurer konventionelleren Armee passen?« Ich hatte
seit T’vrils Tod dem sterblichen Reich keine Aufmerksamkeit mehr geschenkt, doch ich wusste, dass er daran gearbeitet hatte.
»Die Hunderttausend Legionen.« Sie lächelte nicht – ich konnte mich des Gefühls nicht erwehren, dass sie das ohnehin nicht oft tat –, doch in ihrer Stimme schwang ein Hauch trockener Ironie. »Natürlich sind es nicht tatsächlich hunderttausend. So hört es sich nur beeindruckender an.«
»Selbstverständlich.« Ich hatte vergessen, welche Kopfschmerzen es bereitete, sich mit den Familienoberhäuptern der Arameri abzugeben. »Also was wollt Ihr wirklich? Denn ich bezweife ernsthaft, dass Ihr Euch über meine Anwesenheit hier freut.«
Sie versuchte auch nicht, mir etwas vorzumachen. Das gefiel mir. »Ich bin weder froh noch verärgert, Lord Si’eh, obwohl, ja, Eure Anwesenheit diversen Absichten der Familie zugutekommt.« Es gab eine kurze Pause. Wahrscheinlich wartete sie auf meine Reaktion. Ich fragte mich, warum die Arameri ausgerechnet mich hier haben wollten. Das würde mit Sicherheit bald deutlich werden. »Zu diesem Zwecke habe ich Morad, unsere Palastaufseherin, angewiesen, während Eures Aufenthalts all Eure materiellen Bedürfnisse zu stillen.«
»Es wird mir eine Ehre und ein Vergnügen sein, Lord Si’eh.« Das kam von der schwarzhaarigen Frau. »Wir könnten mit einer Garderobe beginnen.«
Ich schnaubte belustigt und mochte sie schon jetzt.
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