Riven Rock
tust? Ich meine, daß du ihm...«
»Was? Daß ich ihm untreu bin? Ist das das richtige Wort?«
Er suchte ihren Blick nach einem Signal ab, aber der war ebenso gläsern und distanziert wie immer. Sie zuckte nur die Achseln und verschob ihre Schenkel, um sich der Krümmung seines Knies anzupassen. »Ja«, sagte er, »ich denke schon.«
»Was glaubst du wohl?«
Was glaubte er? Er war leicht schockiert, sonst nichts, über die lockere Moral, die sie hatte – und ihr Mann offenbar auch. Er würde sich jedenfalls mit so etwas nicht abfinden, nicht wenn er drüben in Italien wäre und gegen die Hunnen oder die Österreicher oder gegen wen auch immer kämpfte. Er sagte nichts, aber sie musterte ihn prüfend, rieb sich jetzt an seinem Schienbein, ein schmales Lächeln, kurzes Haar, sanft schwingende Brüste.
»Sollte ich mich lieber im Kloster einsperren, bis der große Krieger wieder heimkehrt?«
Nein. Oder doch. Aber er war bereits weiter mit seinen Gedanken, und ihm wurde klar, daß sie und ihr Mann ihm völlig egal waren, und auch, was sie mit ihren jeweiligen Unterleibern anfingen – er dachte an dieses halb-italienische Baby im Kinderwagen und an das blasse, fragende Gesicht auf dem zerknüllten Photo. »Kann ich dich mal was fragen?«
Sie zog eine Miene, die er nicht entschlüsseln konnte, und er spürte, wie sich ihr Körper anspannte, obwohl sie gleichgültig sagte: »Klar, frag ruhig« und dabei den Rauch in zwei nach oben trudelnden Ringen durch die Nase ausstieß.
»Ich überlege gerade – du hast keine Kinder, oder? Zur Welt gebracht, meine ich?«
»Ich?« Sie lachte auf. »Kannst du dir mich als Mutter vorstellen?Komm schon, Eddie.«
»Aber wie...?«
»Aha«, sagte sie und drehte sich weg, um die Zigarette in dem schmiedeeisernen Aschenbecher auf dem Nachttisch auszudrükken, »jetzt weiß ich, woher der Wind weht. Sie hat ihr Baby gekriegt, stimmt’s, dein kleines Bauernmädel?«
Er konnte ihr nicht in die Augen sehen. »Ja.«
»Und es ist von dir?«
»Ja.«
Und dann lachte sie wieder, und dieses Lachen ärgerte ihn, ließ ihn jenen Funken Zorn verspüren, der ihm immer geradewegs in die Hände zu fahren schien. »Du findest das witzig?«
Als Antwort warf sie sich auf ihn, drückte seinen Kopf ins Kissen und zwang ihm einen Kuß ab, der eher ein Biß war, dann rollte sie von ihm weg und lag mit gespreizten Beinen auf dem Rücken neben ihm. »Ja, das finde ich«, sagte sie. »Und es ist witzig, weil du selbst noch ein Baby bist, wie neugeboren, und du strampelst noch. Klar, sieh mich ruhig so komisch an, halt dich nicht zurück, aber um deine Frage zu beantworten: ich verwende ein Mensinga-Pessar, Eddie«, und sie griff sich zwischen die Beine, um es ihm zu zeigen.
Und jetzt war er ehrlich schockiert, sogar ein wenig erschrocken. Sie hielt das Ding hoch, so daß er es sehen konnte, eine schwarze Gummikappe, glänzend und schmierig von ihren Körpersäften – und seinen. Es war gottlos, das war es, eine Mordwaffe, eine Todsünde, die man sehen und fühlen und in den Händen halten konnte.
»Das gibt’s in vierzehn Größen«, sagte sie und genoß den Moment und den Ausdruck auf seinem Gesicht. »Das einzige Problem ist nur«, jetzt spielte sie das kleine Mädchen und drückte sich wieder gegen seinen Körper, »man muß nach Holland fahren, um eins zu kriegen.«
Die Regenfälle in diesem Winter schienen ungewöhnlich heftig, im Februar ließ ein Unwetter an einem einzigen Tag zweihundert Liter Wasser pro Quadratmeter über der Stadt niedergehen, wo man jeden Saloon, Imbiß, Friseursalon, Lebensmittelhandel und Zigarettenladen mit Sandsäcken abgedichtet hatte, und verwandelte die untere State Street in einen Sturzbach aus brodelndem Schlamm, der die Erdgeschosse aller Wohnhäuser und Geschäfte überflutete. Der dunkle, saugende Strom, der diesen Schlamm vor sich her trug, riß eine wahre Flotte von Automobilen ins Meer hinaus, wo die anbrandenden Wogen die Hafenmauern unter Beschuß nahmen und die Hälfte der dort vertäuten Boote so lange gegen den Strand warfen, bis nichts als zersplittertes Holz von ihnen übrig war. Der Himmel flatterte wie ein zerfetztes Bettlaken, grau geworden vom vielen Benutzen, an der Leine.
O’Kane genoß es, zu Anfang jedenfalls. Ihm fehlte das Wetter – richtiges Wetter, die Nordoststürme, die am Hafen von Boston vom Meer hereinpfiffen, die Gewitter, die den Sommerhimmel in Brand steckten und die Temperatur um zehn Grad fallen ließen, während man kaum
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