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Riven Rock

Riven Rock

Titel: Riven Rock Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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heftig gegen sie, daß seine Psychiater den Gedanken an zahnärztliche Behandlung praktisch aufgegeben hatten, »ja, ich denke, dazu hätte ich Lust. Große Lust sogar. Zur, äh, zur Abwechslung, genau. Ich werde Roscoe einen der Wagen vorfahren lassen. Und wir können uns ja etwas zum Essen einpacken lassen – nicht wahr?«
    Mr. McCormick brauchte immer eine Zeitlang, um von einem Ort zum anderen zu gelangen – das war eine seiner Marotten –, und sowohl O’Kane wie Mart mußten ihm dabei helfen, Mantel, Hut und Handschuhe passend zusammenzustellen, und ihm versichern, daß er gut aussah, ja geradezu blendend, und daß das Wetter draußen keinerlei Grund zur Besorgnis bot. »Ist ja nicht so, als wären wir noch in Waverley«, witzelte O’Kane, dann standen er und Mart mit ihm an der vergitterten Tür zu seinen Räumen, und die Schlüssel öffneten die Schlösser.
    Es gab kein Problem, jedenfalls nicht auf der Treppe, und Mr. McCormick, der gerade im letzten Monat seinen vierundvierzigsten Geburtstag mit einer großen Männerfeier im Theatergebäude begangen hatte, sah tatsächlich aus wie der Herr des Hauses mit den silbergrauen Schläfen und dem schieferfarbenen Filzhut, der seinen wachen Blick betonte. Er stand ausnahmsweise aufrecht, hielt die Schultern gerade und den Kopf hoch erhoben, zog weder den rechten Fuß nach noch blieb er mitten auf der Treppe stehen und ging für jede Stufe, die er hinunterstieg, zwei Stufen zurück nach oben – einer seiner Lieblingstics. Nein, er war die Schicklichkeit selbst – bis Torkelson, der Butler, ihm die Vordertür aufhielt. Im selben Augenblick war er fort, entwand sich O’Kanes Griff wie der Entfesselungskünstler Houdini und schoß an Roscoe und dem wartenden Wagen vorbei.
    Das war nichts Neues. Ungefähr jedes zweite Mal, wenn er für einen Spaziergang oder für ein Konzert oder einen Film im Theatergebäude aus dem Haus gelangte, fiel er in einen Sturmschritt, so daß O’Kane und Mart neben ihm herrennen mußten, als trainierten sie alle drei für den Marathonlauf. Dr. Hamilton hatte befunden, das Gerenne werde Mr. McCormick »unendlich guttun« und das Personal solle ihm ruhig seinen Willen lassen, solange er nicht ins Gebüsch entwich oder das Grundstück zu verlassen versuchte. Brush war die Sache vollkommen einerlei, und Hoch mit seiner typisch deutschen – oder schweizerischen – Begeisterung für körperliche Quälereien teilte Hamiltons Meinung zu diesem Thema. Also rannte Mr. McCormick los, und O’Kane rannte mit – was zumindest den unerwarteten Nebeneffekt hatte, daß er so seinen Whiskeykopf klar bekam.
    An diesem Morgen jedoch überraschte Mr. McCormick ihn und Mart: als sie den Wagen erreichten, war er schon weiter vorn auf der Auffahrt, mit einem Vorsprung von gut fünfzig Metern. »So warten Sie doch, Mr. McCormick!« rief O’Kane, dessen Schädel sich schon jetzt anfühlte, als explodierte er gleich. »Was ist mit unserem Ausflug?«
    Falls Mr. McCormick ihn hörte, so zeigte er es nicht. Er rannte weiter, in einem regelrechten Sprint, er rannte, als wäre ihm der ganze Schwarm seiner Richter und Dämonen auf den Fersen, aber er lief nicht auf das Haupttor zu, sondern verblüffte O’Kane, indem er sich scharf links hielt und damit weiter in die Mitte des Grundstücks vordrang. Diese Straße führte zu einer aus Stein gebauten Garage, die etwas vom Haus entfernt in einem kleinen Wald stand, dann verlief sie nach Westen zur Ashley Road am anderen Ende des Anwesens. O’Kane stürmte los, Mart an seiner Seite. »Dieser Dreckskerl«, fluchte er. »Wieso ausgerechnet heute? Mein Kopf fühlt sich so groß an wie ein Ballon.«
    Mart, dessen Kopf so groß wie ein Ballon war, grunzte nur und trottete in seiner sturen, kopflastigen Art dahin. »Er läuft zu dem Tor bei der Ashley Road«, bemerkte er mit pfeifendem Keuchen, doch als O’Kane aufblickte, sah er, wie ihr Arbeitgeber wiederum nach links bog und auf dem langen gewundenen Fahrweg verschwand, der mitten durch das Grundstück führte. Nun bekam er wirklich Herzklopfen, denn in dieser Richtung stand das nächstgelegene Haus, Mira Vista, und dort gab es Frauen – gebieterische, verzärtelte, überfütterte Gesellschaftsdamen, Frauen wie Katherine.
    O’Kane gab sein Letztes, doch an diesem Vormittag war das nicht allzu viel, was er auch als erster zugegeben hätte. Sam Wahs rettende Rühreier kamen ihm jäh in der Kehle hoch wie ein Sektkorken, wie etwas Bösartiges, das er gerade zur Welt

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