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Riven Rock

Riven Rock

Titel: Riven Rock Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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Mund halten.
    Sie antwortete, er solle zum Teufel gehen.
    Und wer war das jetzt? Irgend jemand oben auf der Treppe – war das Maloney? – und eine wütende Stimme, die wie ein Lasso zu ihnen hinunterschnellte. »Ist endlich Ruhe da unten, ja? Wir wollen schlafen!«
    »Komm doch«, flüsterte er. »Reden wir draußen weiter.«
    »Nein. Hier. Und jetzt.«
    Er rollte mit den Augen. Er war müde. Und ärgerlich. Und enttäuscht. »Was willst du von mir? Willst du, daß ich mit dir gleich heute abend in ein neues Haus ziehe, mit neuen Vorhängen und brandneuen Möbeln aus dem Geschäft, alles noch im Einwickelpapier? Ist es das, was du willst?«
    Sie stand regungslos vor ihm, in ihrem schwarzen Trauerkleid, mit dem schwarzen Schleier, den der Wind über den Hut geweht hatte, und dem Kind im Arm, das ihn pummelig und ungerührt aus seinen eigenen Augen anstarrte.
    »Komm jetzt«, lockte er, »wir gehen rüber zu Patrick, da können wir alles bereden und haben’s bequem dabei, und wir können auch, du weißt schon... ich will dich.«
    »Ich will dich auch, Eddie.« Und sie preßte sich gegen ihn, zog seinen Kopf zu sich herab und küßte ihn wieder, ein heftiger, wütender Biß von einem Kuß, ihre ganze Überspanntheit und Unvernunft war konzentriert in der feuchten Hitze ihres Mundes, ihrer Lippen, ihrer Zunge, und er wußte, alles würde wieder gut werden, wenn er sie nur mit hinauf in sein Zimmer nehmen könnte, um mit ihr zu schlafen, sie zu nehmen, sie zu vögeln.
    Sie trat zurück und musterte ihn mit einem langen, prüfenden Blick, als sähe sie ihn plötzlich in einem neuen Licht, aus der Ferne und im Schatten. Die Muskeln in ihren Mundwinkeln spannten sich zu einem hauchdünnen Lächeln.
    »Was denn?« fragte er. »Was ist los?«
    »Ich bin schwanger.«
    Wenn das nicht ein Déjà-vu-Erlebnis war, was dann? Und eine ganz einfache Rechnung: ein Kind weg, ein Kind dazu. Ihm fiel nichts weiter ein als: »Schon wieder?«
    Sie nickte. Badete ihn mit ihren Blicken. Hinter ihr waren beide Wände des Flurs entstellt von den dunklen, schimmernden Flecken der vonMrs. Fitzmaurice angefertigten Ölbilder, lauter junge Katzen und Hunde, die in einer unkenntlichen Welt aus knüppeldicken Pinselstrichen und zusammenprallenden Farben herumtollten. Sie wechselte das Kind von einer Schulter zur anderen.
    »Mein Gott«, sagte er, und er sagte es wie einen Fluch, rauh und hart.
    Ihre Stimme entglitt ihr und verschwand beinahe: »Ich will, daß du dich um mich kümmerst.«
    Dies war sein Augenblick, dies war seine Stunde der Wiedergutmachung, der Moment, in dem er sein Drei-Uhr-Glück einlösen konnte, auch wenn es nach elf Uhr nachts war, und er hätte sie in die Arme nehmen können und flüstern: Ja, ja, natürlich tu ich das, aber statt dessen musterte er sie mit schiefem Grinsen und fragte: »Von wem ist das Baby?«
    »Von wem...?« Die Frage machte sie sprachlos, und auf einmal schien das Kind auf ihrer Schulter, schien der kleine Guido Capolupo O’Kane unerträglich schwer zu sein, so daß sie hinter sich tastete, wie um einen Platz zum Absetzen zu suchen. Sie brauchte eine Weile, dann aber fand sie wieder zu sich, richtete sich auf, streckte den Rücken, so daß ihre Brüste hervorragten und ihr Kinn sich zwei Handbreit aus dem Kragen reckte. »Von Guido«, sagte sie, »es ist von Guido«, und dann fand sie den Türknauf und ließ einen kurzen Augenblick lang die Nacht herein, bevor die Tür sich klickend hinter ihr schloß.
    Und der gutaussehende Eddie O’Kane, der noch jede Prüfung des Schicksals verpatzt hatte, der weder reich noch frei war, sondern dienern und katzbuckeln mußte vor Mrs. Katherine Dexter McCormick und ihrem geistesgestörten Ehemann, und jedem Rockschoß nachlaufen, der die Straße entlangging? Was brauchte der jetzt? Das war leicht. Einfach. Die einfachste Frage der Welt.
    Er brauchte was zu trinken.

7
    Prangins
    Das Château der Dexters stand auf einem Hügel über dem Genfer See, in Prangins, nahe dem Ort Nyon. Es war ein türmchengeschmücktes steineres Bauwerk mit etwa zwanzig Zimmern, umgeben von Obstgärten und einem angelegten Park und mit einer breiten, ausladenden Rasenzunge davor, die sich bis zum Seeufer erstreckte, wo Josephine zwei Ruderboote und eine Dreizehn-Meter-Yacht liegen hatte. Niemand wußte genau, wie alt das Schloß war, aber Teile davon stammten angeblich aus den Zeiten der Kreuzfahrer, und seitdem war es von immer neuen Generationen edler und weniger edler Bewohner ausgebaut

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