Riven Rock
gehalten hatte und daß bei den Trobriand-Insulanern die Scheidung darin bestand, daß man seine Frau umbrachte und dann aufaß, wobei die besten Stücke den Schwiegereltern serviert wurden (falls man bei Wilden überhaupt von Schwiegereltern sprechen konnte), und was hielt eigentlich er, Eddie, von dieser Frage? Er war doch auch geschieden, oder? Von, wie hieß sie noch gleich, Rosaleen?
O’Kane mußte zugeben, daß er nicht geschieden war.
Das ließ Mr. McCormick erstarren. Sie waren gerade draußen – kehrten von einer ziellosen Wanderung über das Grundstück zurück, halb Dauerlauf, halb Sprint –, und Mr. McCormick blinzelte ihn ungläubig an. »Sie meinen, Sie – in all den Jahren... und Ihre Frau, sie war – ganz allein? Oder vielleicht, vielleicht sogar mit... mit anderen Männern ?«
Mart, der immer noch nach Atem rang, hörte ihnen stumm zu. Sie standen an der Haustür, die ihnen Butters, die Nase steil nach oben gereckt, beflissen aufhielt. »Ich, äh, ich habe es Ihnen wohl nie gesagt – wissen Sie noch, als sie damals heimfahren mußte, um ihre Mutter zu pflegen? Und ihren Bruder, den mit dem Gehirntumor?«
Mr. McCormick sah ihn zerfahren an. Er erinnerte sich wohl nicht an allzuviel aus jener Zeit. Im Grunde wunderte es O’Kane, daß er Rosaleens Namen noch gewußt hatte.
»Tja«, sagte O’Kane und malte mit den Händen ein Bild, »unglücklicherweise muß ich sagen, daß sie den Krebs von ihm erwischt hat und selbst gestorben ist. Also bin ich jetzt im Grunde Witwer. Ein Witwer – ja, das bin ich.«
Mr. McCormick schien diese Erklärung zunächst zufriedenzustellen, doch als sie wieder oben waren und es sich im Salon bequem machten, wurde er erneut höchst erregt. »Hier«, sagte er, »hier, das ist interessant«, und warf O’Kane einen Stapel von Zeitungsausschnitten in den Schoß, die in Wirklichkeit gar keine Ausschnitte waren, da er ja keine Schere haben durfte – er hatte sie sorgfältig gefalzt und dann aus den Zeitungen herausgetrennt.
Die erste Schlagzeile lautete HARVESTER-PRÄSIDENT GIBT ROCKEFELLER-ERBIN DEN LAUFPASS , und es gab noch ein halbes Dutzend mehr von der Sorte. Offenbar hatte sich Harold, inzwischen der Präsident von International Harvester, nachdem Cyrus jr. in den Ruhestand gegangen war, nach sechsundzwanzig Jahren Ehe von Edith scheiden lassen. Sie hatte die letzten acht Jahre in der Schweiz verbracht und war eine ergebene Jüngerin von Carl Gustav Jung und dessen psychoanalytischer Schule geworden, während Harold, der Playboy der Familie, ein Freund von eleganter Kleidung, teuren Autos, Flugzeugen und Frauen, sich in die polnische Operndiva Ganna Walska verliebt hatte. Madame Walska, eine dunkle, üppige Schönheit, war mit Dreißig bereits einmal verwitwet und zweimal geschieden, außerdem zwanzig Jahre jünger als Harold. Und sie konnte nicht singen, keine Note – jedenfalls nicht gut genug, um die Leute davon abzuhalten, fluchtartig den Opernsaal zu verlassen.
Nachdem O’Kane die Artikel gelesen und an Mart weitergereicht hatte, blickte er den erwartungsvollen Mr. McCormick an und zuckte die Achseln. »So was passiert eben manchmal, Mr. McCormick«, sagte er, »das wissen Sie doch. Deswegen sollten Sie sich nicht aufregen.«
»Nein, nein«, stieß Mr. McCormick schnell hervor, und der Fußboden wurde wieder einmal zu glühendem Magma, so daß er von einem Fuß auf den anderen hüpfen mußte, »nein, nein, Sie... Sie begreifen nicht. Er ist der Präsident, der Präsident , und er konnte... ich könnte – Katherine. Ich könnte mich von Katherine scheiden lassen.«
Dies wurde für Mr. McCormick eine Zeitlang zur fixen Idee: entweder er erörterte laut alle Details dieses Gedankens mit schriller, brüchiger Stimme, oder er brütete darüber in gähnender Stille. Wenn Harold sich scheiden lassen konnte, dann konnte er das auch. Aber wenn er sich scheiden ließ, dann hatte er Katherine nicht mehr, und wenn er Katherine nicht mehr hatte, wer sollte dann seine Frau sein und für ihn seine Geschäfte lenken? Außerdem liebte er Katherine doch, oder? Selbst wenn sie mit anderen Männern poussierte und mit dieser Mrs. Roessing. So ging es im Kreis, immer wieder und wieder, wie ein Hund, der seinem Schweif nachjagt.
Inzwischen wurde Harolds Situation schlimmer. Denn nachdem die Scheidung über die Bühne war und Edith das Sorgerecht für die Kinder sowie das meiste ihres gemeinsamen Besitzes zugesprochen bekommen hatte – einschließlich der Villa
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