Riven Rock
Turicum, ihres Landhauses in Lake Forest, das sie in ein »Mekka für die Jünger der Psychoanalyse« verwandeln sollte –, überlegte es sich Ganna Walska anders und heiratete einen amerikanischen Millionär namens Alexander Smith Cochran. Harold war am Boden zerstört, und die Presse johlte vor Vergnügen. Doch schon ein Jahr später gab Madame Walska Alexander Smith Cochran wieder den Laufpaß und heiratete Harold, allerdings unter der Bedingung, daß er ihr eine Operntournee durch die USA finanzierte, komplett mit den besten Chören, Orchestern, Kostümen und Bühnenbildern, die für gutes Geld zu haben waren. Wiederum johlte die Presse verächtlich, und zwar diesmal so lauthals und so beharrlich, daß Harold infolge des Skandals gezwungen war, als Präsident der Harvester Company zurückzutreten.
All das las Mr. McCormick mit wachsender Verzweiflung und Bekümmerung, bis der Tag kam, an dem er nicht aus dem Bett aufstehen wollte. O’Kane hörte eines Morgens, wie Dr. Brush und Mart auf ihn einredeten. Wollte er denn nicht aufstehen und schön heiß duschen? Nein, das wollte er nicht. Und wie wär’s mit Frühstück? Nein. Einem Ausflug? Einem Film? Einem Konzert mit Mr. Eldred? Nein, nein, und nein. Tja, und wo lag eigentlich das Problem? Er wollte nicht darüber reden. Doch als Dr. Brush und Mart sich auf dem Gang besprachen, griff Mr. McCormick in die Brusttasche seines Seidenpyjamas und reichte O’Kane einen Zeitungsausschnitt, der so fest und so oft zusammengefaltet war, daß er nur noch die Größe eines Streichholzbriefes hatte. »Los doch«, sagte er. »L-Los doch, Eddie – lesen Sie. Lesen Sie’s laut vor.«
O’Kane entfaltete das Papierpäckchen, strich es auf dem Tisch glatt und begann zu lesen:
EX-PRÄSIDENT DER HARVESTER COMPANY
WILL SICH AFFENDRÜSEN EINPFLANZEN LASSEN
Mr. Harold McCormick, der frühere Präsident der International Harvester Company, dessen überstürzte Ehe mit der polnischen Sängerin Ganna Walska seine Firma ins Trudeln und die Nation zum Staunen brachte, wurde kürzlich in ein Chicagoer Krankenhaus eingeliefert, um sich einer urologischen Operation zu unterziehen. Dr. V. P. Lespinasse, sein Chirurg, bekannt als der »Doyen der Drüsentransplantation«, soll mit der Verpflanzung von Affendrüsen experimentieren, um damit Mr. McCormicks Aussichten zu erhöhen, seiner jungen Frau noch Kinder schenken zu können. Madame Walska selbst gab dazu lediglich den Kommentar ab, ihr Gatte sei »unersättlich in seinem Wunsch, die körperlichen Anforderungen der Ehe zu erfüllen – unersättlich deshalb, weil es ihm nicht mehr möglich ist.«
Als er aufblickte, hatte Mr. McCormick einen höchst seltsamen Gesichtsausdruck, so als hätte er sich gerade mühsam auf festes Eis hinaufgezogen, nur um zu erleben, wie es gleich wieder einbrach und er in die eisigen schwarzen Fluten zurückstürzte. »Affen«, sagte er verbittert, »warum müssen es immer Affen sein?«
Und dann bebte die Erde.
Es geschah kurz vor sieben Uhr morgens am 29. Juni 1925, O’Kane schlief gerade die Nachwirkungen mehrerer gemischter Lagen und einer Frau aus, an deren Namen er sich nicht erinnern konnte, als er auf einmal aus seinem Bett in die Luft geschleudert, herumgedreht und wieder fallen gelassen wurde, wie beim fachgemäßen Wenden eines Omeletts in der Pfanne. Alles in seinem Gesichtsfeld war lebendig, genau wie in den Halluzinationen, die er gehabt hatte, als er das letztemal mit dem Saufen aufgehört hatte, nur war es diesmal keine Halluzination. Das Gemälde über dem Bett fiel krachend herunter, und eines der spielenden Kätzchen wurde auf dem Bettpfosten aufgespießt, der Kleiderschrank rutschte quer durchs Zimmer und kippte unter lautem Getöse um, Gipsbrocken regneten von der Decke, und immer noch wackelte und bebte und tanzte alles, als stünde der Fußboden unter Strom. Es fühlte sich an wie in einem Zug, dessen Lokführer beim Einfahren in den Bahnhof die Bremse zu abrupt betätigt.
Nachdem O’Kane Hose und Schuhe angezogen hatte, stürzte er Hals über Kopf in den Korridor hinaus, wo die Luft von Staub geschwängert war und das Geländer am Treppenabsatz eine Verschwörung von gesplittertem Holz bildete. Unten, in dem sonst makellosen Aufenthaltsraum von Mrs. Fitzmaurice, lagen Ziegel und Holzlatten chaotisch auf dem Teppich verstreut, und O’Kane konnte sehen, wo das Nachbarhaus seinen Ellenbogen durch die Wand gestoßen hatte. Heldenmütig half er sämtlichen Damen auf die Straße
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