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Riven Rock

Riven Rock

Titel: Riven Rock Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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Stimme gewichen. »Wer ist der nächste Nachbar – das ist Mira Vista, oder? Und wer wohnt dort? Gibt’s da Frauen?« Sein Gesicht war schmal, gedunsen und gerötet unter der Bräune, die er sich in Gesellschaft seiner Hominiden zugelegt hatte, das Haar war schweißnaß, und Schweiß rann ihm auch von der Schläfe in tastenden Bahnen hinab, um die Konturen seines angespannten Unterkiefers nachzuzeichnen. »Wir müssen sie warnen. Die Polizei benachrichtigen. Spürhunde holen.«
    »Allzu weit wird er nicht sein – schließlich kann er fast vierzig Hektar allein auf seinem eigenen Grundstück herumlaufen... aber ich habe mich gerade gefragt, ob er, also, ob die Möglichkeit besteht, die wir schon mal besprochen haben... ob er versuchen könnte, sich...«
    »Sie Idiot«, rief der Arzt, der jetzt den letzten Rest seiner Selbstbeherrschung verlor, »Sie entsetzlicher Idiot! Was glauben Sie wohl? Warum denken Sie denn, sperren wir ihn ein? Er könnte schon längst unter irgendeinem von den verdammten Büschen da liegen, und wir stehen hier herum und plappern. Handeln müssen wir jetzt, keine hirnlosen Fragen stellen nach dem Was-wäre-Wenn. Wir müssen, wir müssen...« Damit verstummte er unvermittelt und eilte in Richtung der Garage davon.
    Die Nacht brach herein, und immer noch kein Zeichen von Mr. McCormick. Als Hamilton wieder einen kühlen Kopf hatte, entschied er sich dagegen, die Polizei hinzuzuziehen, weil er mögliche Konsequenzen fürchtete, aber die Nachbarn innerhalb von zwei Kilometern waren gewarnt, und alle verfügbaren Männer, darunter auch die Dimuccis, halfen bei der Suche. Es gab nicht genug Taschenlampen – zwei vom Haus und eine aus Roscoes Fundus in der Garage –, so daß die Arbeiter das Gebüsch trotz der Brandgefahr mit Laternen und hochgehaltenen Fackeln durchstöberten. Roscoe hatte Nick und Pat geholt, und auch sie beteiligten sich an der Fahndung, aber O’Kane, dem Hamiltons Vorwürfe nachgingen und der immer noch einen Groll gegen Nick hegte, zog auf eigene Faust mit einer der Taschenlampen los.
    Es war die Trockenzeit, das hohe Gras auf den Wiesen war von Goldgelb zu Weiß verdorrt, in den beiden Bächen, die auf dem Grundstück zusammenflossen, hockten die Frösche dicht an dicht und machten einen Höllenlärm, erfüllten die Finsternis mit dem blubbernden Gequake von Froscheslust und Froscheskampf. O’Kane ging den Hot Springs Creek entlang nach Süden bis zum Zusammenfluß mit dem Cold Stream und folgte diesem dann wieder nordwärts über das heilige Land der Indianer, das das Land der Mr. McCormicks geschluckt hatte, weil er dachte, das Wasser oder der dichte Bewuchs aus Schilf und Krüppeleichen entlang der Ufer könnte Mr. McCormick angelockt haben – er hätte sich dort eine Woche lang verbergen können, ohne daß ihn jemand fand, schon gar nicht im Dunkeln. Der Strahl der Taschenlampe – ein Gerät, das O’Kane noch nie gesehen hatte, ehe er nach Riven Rock gekommen war – erfaßte da einen Ast und dort einen Stein, verflachte sie ins Zweidimensionale, als wären sie auf die Wand der Dunkelheit aufgeklebt, und O’Kane stolperte zwischen den Felsen des Bachbetts umher, vom eigenen Licht geblendet. Die ersten Male behielt er das Gleichgewicht, dann aber rutschte ihm ein Stein unter dem Fuß weg, und er stürzte vorwärts in das nasse Geröll, wobei er die Lampe schützend gegen die Brust drückte und sich dafür beide Knie aufschürfte. Einen Moment lang lag er ausgestreckt da, dachte kurz an boshafte blitzschnelle Klapperschlangen und verließ dann das Bachbett zugunsten bequemerer Wege.
    Er sah die flackernden Lichter in der Ferne, hörte hie und da jemanden rufen – mal auf englisch, mal auf italienisch –, doch er achtete nicht darauf. Er suchte allein, aber er war bereits erschöpft, hatte die ganze Geschichte satt und kehrte langsam zum Haus zurück, indem er die Rasenflächen mied und stur durch die Kleewiese stapfte, vorbei an den Treibhäusern und der finster dräuenden Rückwand der Garage, bis er so nahe bei den Affen war, daß er sie riechen konnte. Bei den »Hominiden« – den Rhesusaffen und Pavianen, die das Pech hatten, als Kanonenfutter für Hamiltons Theorien dienen zu müssen. O’Kane hatte inzwischen genug von den Experimenten des Doktors gesehen, um sich eine Meinung zu bilden, und seine Meinung lautete, daß das alles Quatsch war. Abgesehen davon, daß sie die Affen durch diese große Holzkiste mit den Türklappen hetzten, schienen Hamilton und

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