Riven Rock
geklemmt zu haben – etwas Massives. O’Kane drehte den Knopf und rammte die Schulter gegen das solide Türblatt, die Panik stieg in seiner Kehle hoch, ein scharfer Geschmack, jäh und gnadenlos. Mart stand direkt hinter ihm, Gott sei Dank, und im nächsten Moment gingen sie zu zweit auf die Tür los: Mart trat fünf Schritte zurück und warf sich dann mit der Unbeirrbarkeit eines Stiers gegen das gleichgültige Eichenholz. Einmal, zweimal, dreimal, bis die Tür schließlich nachgab, splitternd aus den Angeln brach und mit dumpfem Krachen vorwärts in ein Bollwerk aus Möbelstücken flog. Und wo kamen diese Möbel her? Aus dem leergeräumten, völlig geplünderten Schlafzimmer hinter ihnen. Während sie, von der gelösten Gelassenheit des Spätnachmittags eingelullt, ihre Kreuzworträtsel lösten oder aus dem Fenster starrten, war es Mr. McCormick gelungen, in aller Stille sein Zimmer auszuräumen und die Tür zu verbarrikadieren, um sich die Flucht zu erleichtern.
O ja: die Flucht. Denn darum ging es ja bei alledem – der verstellten Tür, der zersplitterten Scheibe, dem implodierten Frieden des trägen, müßigen Nachmittags im Paradies –, wie O’Kane im nächsten Moment entdecken sollte. Er hastete über die umgekippte Tür, die in einem 45-Grad-Winkel dalag, und sah Mr. McCormick gerade noch durch eine schartige Öffnung in der Jalousie verschwinden, die aussah, als wäre dort eine Granate eingeschlagen, aber tatsächlich war es nur Mr. McCormick gewesen, der dazu schiere Körperkraft, Einfallsreichtum und einen Zehnerpfosten aus Kirschholz, ehemals ein Tischbein, eingesetzt hatte. O’Kane schrie auf, sein Kopf war ein brodelndes Gemisch aus formlosen Gedanken, die »drei Ps« gingen über in Dr. Hamiltons Erläuterungen in der Eisenbahn, Katherines anklagende Wut, die krasse, wahnwitzige, pulsbeschleunigende Wendung »Neigung zum Selbstmord«, und er stürzte ans Fenster, um voller Entsetzen den Kopf hinauszustrecken, wobei er mit allem rechnete, auch mit dem Schlimmsten. Was er sah, war Mr. McCormick, dessen Augen tief in die Grimasse seines Gesichts versunken waren, angespannt vor Konzentration, während er die Regenrinne hinunterkletterte, mit all der Behendigkeit eines... ja, eines Hominiden .
Bis O’Kane im Erdgeschoß war, durch die Eingangstür und um die Ecke des Hauses stürzte, hatte Mr. McCormick das Weite gesucht. Wieso , dachte O’Kane, wieso muß das immer in meiner Schicht passieren? , und dann war er in hektischer Bewegung, unaufhaltsam hetzte er über den Hof und brüllte nach Roscoe, den Gärtnern, den Haushaltsgehilfen und allen verstreuten Italienern, die in ihren baufälligen Baracken vielleicht gerade Knoblauch kleinschnitten oder über einem Glas Wein dösten, Hunde bellten, Hühner flatterten auf, alles war ein Hurrikan aus Schrecken und Panik. »Mr. McCormick ist los!« schrie er, und da kamen auch schon Mart und Roscoe und ein Schwarm schwitzender, dunkelhäutiger Männer mit Harken und Heckenscheren in den Händen. »Sperrt eure Frauen ein!« rief er. »Und ihr Männer verteilt euch übers ganze Grundstück – und wenn ihr ihn findet, nähert euch ihm auf keinen Fall, sondern haltet euch zurück und ruft nach mir oder Dr. Hamilton.«
Unter O’Kanes Anleitung suchten sie systematisch alles ab, beschrieben immer weitere Kreise um das Haus, als Dr. Hamilton angerannt kam, sich aus der Richtung des Affenhauses durch die Bäume schlug, in einem weißen Laborkittel, der ganz fleckig war von den diversen Ausscheidungen seiner Rhesusaffen und Paviane, ganz zu schweigen von Julius, dem Orang-Utan. Er hetzte durch den Küchengarten, quer über den Hof und zu O’Kane heran, der gerade die Sträucher rund um die Lorbeerhecke im Westen des Hauses absuchte. »Mein Gott«, keuchte der Doktor außer Atem, seine Augen hüpften, und er wiederholte es wieder und wieder, nach Luft schnappend: »Mein Gott, mein Gott, mein Gott.«
»Er kann noch nicht weit sein«, sagte O’Kane. »Seine Beine sind schwach. Er ist schlecht in Form.«
Der Arzt stand reglos da, ein scharfer Lichtkeil der sinkenden Sonne schälte seine rechte Gesichtshälfte heraus, der Tic hatte sich auf Wange und Mundwinkel ausgebreitet. »Wie?« sprudelte er heraus. »Wer... Wann hat er...?«
»Keine zehn Minuten her. Wir hatten ihn fast schon – er hat die neue Jalousie mit einem Tischbein aufgebrochen.«
»Scheiße.« Der Arzt stieß eine Reihe von Flüchen aus, jede Spur des therapeutischen Flüsterns war aus seiner
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