Rixende ... : Historischer Roman (German Edition)
Prälaten alle laut, und die Waldenser trollten sich ratlos und beschämt davon.“
„Sie strebten wohl danach, für andere Wagenlenker zu sein, wie Phaeton, der nicht einmal die Namen seiner fliegenden Rosse kannte, nicht wahr?“ sagte der König und lächelte milde.
„Ja, ein guter Vergleich, Sire. Man konnte sie einfach nicht ernst nehmen. Die Pilger aus Lyon waren wie Vögel in die Falle gegangen, die ihnen die schlauen Scholastiker gestellt hatten. Katharern wäre diese Peinlichkeit sicherlich nicht widerfahren, ihre Gelehrten hätten den Unterschied gekannt zwischen dem Glauben an die Personen der Göttlichen Dreifaltigkeit – auch wenn sie selbst anders darüber denken – und dem unzulässigen Glauben an irdische Geschöpfe, selbst wenn es sich um die Mutter Jesu handelt. Die Waldenser hatten nie davon gehört, dass man von Maria nicht als ´Mutter Christi` sprechen darf, weil das Konzil von Ephesos im Jahr 431 diese irrige Bezeichnung seinerzeit durch Nestorios, Bischof von Konstantinopel, verurteilt und als Ersatz dafür empfohlen hatte, von der ´Mutter Gottes` zu sprechen.“
„Was hat Euch dazu gebracht, Nogaret, Eurem Großvater das melioramentum zu verweigern, will sagen, weshalb habt Ihr Euch für die andere Seite entschieden? Hat Euch der Gute Geist irgendwann verlassen?“ Philipps Mund hatte sich bei seinen letzten Worten spöttisch verzogen.
Nogaret lachte wieder leise. „Ich hoffe nicht, Sire, dass mich irgendwann der spiritus creatus verlassen wird! Nicht vor meinem Tod.“
„Wir auch nicht, Wir auch nicht, Nogaret.“
26
Die Taube schwingt, mit Gurren, Drehn und Wenden
ihr Neigen eine kund der andren tut ...
Dante, Die Göttliche Komödie
Der Rückweg war mühsam. Niemand ritt neben Rixende, der sie mit kurzweiligen Anekdoten unterhielt, auf die Schönheiten ringsumher aufmerksam machte, Schmetterlingen nachjagte, mit ihr lachte oder stritt. Sie fühlte sich einsam und verunsichert und dachte an einen Spruch von Horaz, den sie irgendwann in einem von Fabris Büchern gelesen hatte: „Wer Meere durcheilt, kann wohl den Himmelsstrich wechseln, doch nicht die Stimmung der Seele.“
Die Zeichnung, die Fulco ihr mit auf den Weg gegeben hatte, war nützlich. Alle Klöster hatten bislang ohne Mühe in einem Tagesritt erreicht werden können. Auf dem ganzen Weg hatte Rixende vergeblich nach Clément Ausschau gehalten. Entweder verbarg er sich äußerst geschickt vor ihr, oder Simon hatte sich getäuscht, und der Mann war völlig harmlos. Es gab noch andere Männer, die gelockte Bärte trugen. Er musste auch nicht derjenige sein, der Lusitana auf dem Gewissen hatte.
Als sie am Queribus vorbeiritten, dieser weißen Burg, die sich wie ein stolzer Adler aus der gleichfarbigen Gesteinsnadel in den Himmel erhebt, allem Menschlichen entrückt, dachte sie an den Bruder, der gewiss längst wieder dort oben residierte. Ob er ihr noch böse war? Würde sie ihn irgendwann wiedersehen? Und was war mit Fulco von Saint-Georges? Wie sollte sie ihm in Carcassonne begegnen?
Rixende schüttelte den Kopf. Bevor sie eine Entscheidung für ihre Zukunft traf, musste sie ihre Pflicht erfüllen und den Besuch des Muselmanen abwarten. Ob Suleyman ihr die Schuld gab an Abu Ras` Tod?
Nichts in ihrem Leben konnte anscheinend zu Ende gebracht werden, weil immer alles seltsam unfertig oder unklar war.
Um die sechste Stunde des Tages zog ein Gewitter auf. Rasch verdüsterte sich der Himmel, und es türmte sich eine gelbviolette Wand auf, zerrissen durch feurige Blitze. Harte, schmetternde Donnerschläge folgten unmittelbar hintereinander, einer übertrumpfte geradezu den anderen. Bereits tropfnass – denn der Regen stürzte wie ein Gießbach vom Himmel -, ritten sie endlich auf eine frei im Feld stehende Kate zu. Als einer der Diener die Tür aufriss, um Rixende hineinzulassen, erschraken beide. Monotoner Gesang schlug ihnen entgegen: „Nun hebet auf die Hände, dass Gott dies Sterben wende! Nun hebet auf die Arme, dass Gott sich über uns erbarme! Jesus, durch deine Namen drei, mach, Herre uns von Sünden frei! Jesus, durch deine Wunden rot, behüt uns vor dem jähen Tod ...“
Pilger, fuhr es Rixende durch den Kopf, als sie sich umsah. Die bunte Schar – bestehend aus Männer, Frauen und Kinder, elf an der Zahl - hatte ihren Gesang unterbrochen und musterte nun ebenfalls neugierig Rixende. Aufgetürmt in einer Ecke lag auf dem Stroh die gesamte Habe der Leute, Becken, Pfannen und obendrein Passionstafeln,
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