Rixende ... : Historischer Roman (German Edition)
Brennpunkte innerhalb des Reiches zu entsenden, war wegen der zunehmenden Ausdehnung und nötigen Festigung der königlichen Autorität auch im Süden Frankreichs nicht ungewöhnlich. Da Abbéville sie nicht hatte verhindern können, gedachte er nun, durch vorgetäuschte Kooperation einen guten Eindruck vor den Reformatoren zu machen und darüber hinaus einfach abzuwarten, bis sie weiterzogen.
Noch immer saßen die verbliebenen Gefangenen aus Albi im Loch, mehr tot als lebendig, doch noch vor dem Eintreffen der Gesandten veranlasste Abbéville, sie besser zu verpflegen.
Einer der beiden Reformatoren war der Geistliche Johann von Pequigny. Er war von kleiner, gedrungener Statur, jedoch überaus agil und ein schneller Redner. Als Vidame - also Schutzherr - von Amiens stand er im ganzen Land in hohem Ansehen, nicht zuletzt auch wegen seiner Redlichkeit und seines Scharfsinns. Der andere, Richard Neveu, Archidiakon von Lisieux, bleich und spitznasig, war von eher unergründlichem Wesen. Er schwieg meist, aber seinen flinken Äuglein entging kaum etwas, und er hielt nichts von jahrelangen juristischen Haarspaltereien, während dessen Angeklagte hungernd in Ketten lagen.
Abbéville begrüßte die beiden mit ausgesuchter Höflichkeit, als sie im Februar des darauffolgenden Jahres nach Carcassonne kamen, und legte sich fortan für sie in vielfältiger Weise ins Zeug.
„Was die Gefangenen angeht, meine Herren“, erklärte er ihnen mit sanfter Stimme, „so tun wir hier nur unsere Pflicht. Der Bischof von Albi war es, Bernhard von Castaignet, der uns seinerzeit händeringend gebeten hat, diese Leute zu verhaften, bevor sie durch ihre häretischen Umtriebe weiteres Volk gegen die Heilige Mutter Kirche aufwiegeln würden.“
Pequigny und Neveu hatten von Nogaret den Auftrag, um jeden Preis den Inquisitoren von Carcassonne Fesseln anzulegen. Um Abbévilles Aussage zu prüfen, begaben sie sich daher selbst nach Albi.
Als die Albigenser von der bevorstehenden Visite der Reformatoren des Königs erfuhren, zogen sie ihnen mit Kind und Kegel auf halbem Wege entgehen, um sie händeringend zu bitten, die Ihren endlich aus dem Gefängnis zu befreien. Pequigny verwies sie auf ihren Bischof, worüber sie sich über alle Maßen erstaunten, hatte doch Castaignet immer so getan, als stünde er auf ihrer Seite und vermöchte seinerseits nichts gegen die selbstherrliche Inquisition auszurichten.
Wütend ritten Pequigny und Neveu wieder zurück, um Castaignet offiziell zum Verhör zu bitten.
Der Bischof von Albi sah seine Felle davonschwimmen, daher ritt er rasch nach Carcassonne, wo er vor den Reformatoren weitschweifig vom Ruhm und Lob Gottes und der seligsten Jungfrau Maria sowie des Heiligen Dominikus sprach, um dann, ohne mit der Wimper zu zucken, alle Schuld auf den seinerzeitigen Prior, Fulco von Saint-Georges, zu schieben; schließlich sei er es gewesen, der die armen Leute mitten in der Nacht verhaftet und nach Carcassonne verbracht hätte. Er selbst wasche seine Hände in Unschuld.
Als Castaignet nach Albi zurückritt, wurde er bereits erwartet. Dicht gedrängt standen die erbosten Bürger vor dem Stadttor, bevölkerten auch die Uferböschung des in der nachmittäglichen Sonne türkisfarben leuchtenden Tarnflusses und die engen Gassen der Stadt, bis hinauf zur mächtigen Kathedrale St.-Cécile, um seine Heimkehr nur ja nicht zu versäumen.
„Tod, Tod, Tod dem Verräter!“ hallte es ihm von allen Seiten entgegen, und Castaignet hatte allergrößte Mühe, unbeschadet den Donjon seines Palastes zu erreichen.
Rasch bildete sich eine Verschwörung, die zum Ziel hatte, bei Nacht das bischöfliche Palais, „de Berbie“ genannt, anzuzünden, doch schwand den Verschwörern noch vor Morgengrauen der Mut, und sie gaben ihren Plan auf.
Die Wut der Bürger auf Bischof Castaignet wurde dadurch verstärkt, dass er obendrein in Verdacht geraten war, mit konfiszierten Geldern verurteilter Ketzer seinen Palast und die Kathedrale finanziert zu haben. Die angesehensten Bürger unter ihnen nahmen erneut Rücksprache mit den Reformatoren, und verpflichteten sich auf Anraten von Pequigny notariell, den Bischof sowie Nikolaus von Abbéville und Fulco von Saint-Georges vor dem königlichen Gerichtshof zu belasten.
Um diese weitreichende Anklage begründen zu können, mussten sich die Reformatoren natürlich ein umfassendes Bild von der sogenannten „franziskanischen Gegenseite“ machen. So lud Pequigny eines Tages auch Bernhard
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