Rixende ... : Historischer Roman (German Edition)
Délicieux vor. Überrascht hob der Reformator die Brauen, als ihm der Franziskaner, ohne zu zögern, reinen Wein über Abbéville einschenkte und am Ende der Erörterung gar meinte:
„Ich kann Euch nur raten, Herr Reformator, äußerst vorsichtig zu sein. Dieser Mann hat mehr als einmal bewiesen, dass er ein übler Fälscher und Tatsachenverdreher ist, der über Leichen geht. Sein Leitspruch ist: Verleumde kühn, etwas bleibt immer hängen!“
Pequigny, der bis dahin eigentlich keinen schlechten Eindruck von Abbéville gewonnen hatte und die Hauptschuld längst bei Fulco von Saint-Georges sah, der, so war ihm von allen Seiten zugetragen worden, unerbittlich und grausam gegenüber den Häretikern gewesen wäre, bat den Franziskaner daraufhin, sich der Appellation der Bürger von Albi anzuschließen.
Zwar behielt er seine neuen Erkenntnisse über Abbéville für sich, Abbévilles Spione jedoch saßen überall, so dass er fast alles erfuhr, was über ihn verbreitet wurde. Zähneknirschend hatte er sich eingestehen müssen, dass man ihm über kurz oder lang den Prozess machen würde, doch er gedachte, seine Trümpfe bis zum Schluss aufzuheben, und wenn es ihn dennoch treffen würde, andere mit hineinzuziehen.
Für Fulco von Saint-Georges bedeutete die Anklage vor dem königlichen Gerichtshof auch, dass an eine gemeinsame Flucht mit Rixende vorerst nicht zu denken war. Nicht nur der König, sondern auch Abbéville würde alle Bluthunde auf ihn hetzen, die es im Lande gab, und ihm Dinge anhängen, die er nie getan hatte. Wider besseren Wissens hielt er sich selbst aber mit offenen Schuldzuweisungen zurück, denn er fühlte sich auf der sicheren Seite. Die Gespräche, die er mit Pequigny geführt hatte, waren allesamt sachlich und höflich verlaufen. Ein einziges Mal nur hatten die Reformatoren sich irritiert gezeigt. Eines Morgens wollten sie – ohne erkennbaren Zusammenhang – Einsicht in Abbévilles Brief nehmen, in dem er Fulco beauftragt hatte, die Männer aus Albi zu verhaften. Bereitwillig zog Fulco das entsprechende Buch aus der Truhe - doch das Pergament war spurlos verschwunden. Auch Fébus hatte sich keinen Reim darauf machen können. Fulco war der Schweiß auf der Stirn gestanden, er hatte vor- und zurückgeblättert, er selbst hatte es doch dort hineingeheftet nach seinem Amtsantritt in Carcassonne. Nachdem er auch noch sämtliche Säcke mit den Prozessunterlagen durchwühlt hatte, meinte Pequigny, dass es nicht so wichtig wäre.
Fulco blieb beunruhigt und nahm Fébus ins Vehör. Weshalb verschwand plötzlich ein derart wichtiges Dokument, das die Verhaftung so vieler Menschen beurkundete? Doch der Schreiber hatte sich dumm gestellt und sich weder an den genauen Wortlaut erinnern können, noch ihm offen in die Augen sehen.
Das ließ nur einen Schluss zu: Abbéville hatte seine Hand im Spiel!
Dennoch sah sich Fulco nicht ernstlich in Gefahr, schließlich hatte er und kein anderer, mit seinem Brief an Nogaret das Rädchen angetrieben, das sich nun in Carcassonne drehte.
Seit dem Eintreffen der Reformatoren waren Fulco von Saint-Georges` Tage restlos ausgefüllt, aber in den Nächten sehnte er sich nach Rixende. Sollten die herrlichen Stunden auf Castillou die einzigen gewesen sein, die er mit ihr je verbringen durfte? Jedes Mal, wenn er sich zur Ruhe begab und unkeusche Gedanken sich in seinem Kopf breitmachten, dachte er sich Möglichkeiten aus, mit ihr zu fliehen. Doch wohin? Wo war der Ort, an dem sie die Inquisition nicht fand? Er liebte Rixende aufrichtig und überlegte oft, wann für ihn aus dem Spiel Ernst geworden war. War es, als er sie an Bord gefunden hatte und sie ohnmächtig in seinen Armen lag? Oder geschah es in jener ersten Nacht in Castillou, als ihre herrlichen Brüste, vom Mond beleuchtet, wie Silber schimmerten?
Und was erwartete Rixende von ihm? Wenn er doch wenigstens einmal mit ihr reden könnte?
Noch immer würdigte sie ihn in St. Nazaire kaum eines Blickes.
Unruhig wälzte er sich halbe Nächte lang auf seiner Pritsche hin und her und betete abwechselnd zur Heiligen Jungfrau und zum Heiligen Hieronymus, der mutig gegen die sündhafte Begierde angekämpft hatte. Denn das Bild des geilen Mönches, der einem Weiberrock hinterherlief, gefiel ihm längst nicht mehr.
Im Mai wollte Abbéville nach Toulouse fahren – das erste Mal übrigens, seit die Reformatoren im Lande waren - nachdem sich Pequigny und Nevers gen Béziers aufgemacht hatten, um dort für einige Wochen nach
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