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Rixende ... : Historischer Roman (German Edition)

Rixende ... : Historischer Roman (German Edition)

Titel: Rixende ... : Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helene Luise Köppel
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Abend schilderte er ihr fremde Sitten, die ihm begegnet waren. Er wollte Zwergenmenschen kennengelernt haben, die in sieben Jahren erwachsen waren, und Frauen von Brahmanen, die sich nach dem Tod ihrer Ehemänner selbst verbrannten. Rixende schmunzelte oft in sich hinein, denn sie war sich nicht immer sicher, ob er ihr in jedem Falle die Wahrheit erzählte oder ob er nur eine ausgelassene Freude am Fabulieren hatte. Da gab es nämlich die schier unglaubliche Geschichte über einen Mann namens Abdul Alhazred, der, nach Ibrahims Worten, vor Hunderten von Jahren in Damaskus gelebt hätte und von allen „der Verrückte“ genannt wurde. Dieser Mann sei zehn Jahre lang durch die Wüste von Arabien gereist, wo er nicht nur die Ruinen von Babylon und Memphis besucht habe, sondern auch im sagenumwobenen Irem gewesen sei, der Stadt der Säulen. In den Überresten einer namenlosen Wüstenstadt habe Alhazred ein großes Geheimnis erfahren, das er nach seiner Rückkehr gewissenhaft aufgeschrieben habe. Seine Aufzeichnungen wären aber seit langem verschollen. Sie sollten von mächtigen Wesen gehandelt haben, älter als die Menschheit, die von den dunklen Sternen zur jungen Erde herabgestiegen wären. Er, Ibrahim, sei seit Jahrzehnten auf der Suche nach einer Abschrift des „Al Azif“, wie man die Schriften des Verrückten nennen würde, für die er sein halbes Vermögen hergeben würde.
    Dafür, dass er überall geheimnisvolle Gegenstände aufkaufte, um sie zusammenzutragen, damit sie nicht verlorengingen, gab es jedoch einen Beweis. Ein solcher Gegenstand sollte nämlich bald ganz Carcassonne auf den Kopf stellen.
    Rixende hatte sich schon gewundert, weshalb Ibrahim auch tagsüber die Läden geschlossen hielt, wenn er die Bücher der Firma Fabri prüfte. Eines Morgens überraschte sie ihn dabei, wie er bei Kerzenschein, über eine flache runde Glasscheibe gebeugt, Aimerics kleine Handschrift zu entziffern suchte.
    „Was macht Ihr da, Herr Ibrahim?“ hatte sie ihn neugierig gefragt.
    Er hatte aufgesehen und sie angelacht. „Ich lese, wie Ihr seht, obwohl meine Augen ziemlich schlecht sind. Mein Helfer ist ein Lesestein. Seht einmal hindurch!“
    Rixande erschrak geradezu, als genau unter diesem runden, durchsichtigen Stein Aimerics Zahlen fast dreimal so groß auftauchten, wie diejenigen die weiter oben standen.
    „Guter Gott! Wie kommt so etwas zustande, Herr? Ist das Magie?“ fragte sie verwundert.
    „Nein, keine Magie, liebe Frau! Es ist ein besonderer Stein, namens Beryl, der von einem opticus aus Damaskus in geschickter Weise zum Kristall geschliffen wird. Um aber seine ganze Wirkung zu entfalten, benötigt er mildes Kerzenlicht.“
    „Wenn das Elias Patrice erfährt, wird er begeistert sein“, entfuhr es Rixende. „Sein größter Verdruss ist nämlich, nicht mehr richtig lesen zu können!“
    Da stand Ibrahim auf, öffnete eine mit rotem Samt ausgelegte Schatulle und zeigte Rixende seine Schätze: Ein gutes Dutzend solcher Lesesteine lag dort, fein säuberlich nebeneinander gereiht - Steine, die für schwache Augen wohl mehr wert waren als reines Gold!
    „Sagt Elias Patrice Bescheid, er kann einen von mir bekommen!“
    Die Sache sprach sich so schnell herum wie seinerzeit die Inhaftierung der Leute aus Albi. Patrice selbst ging mit stolzgeschwellter Brust mit seinem Stein von Haus zu Haus. Und am Ende gab es mehr als zwei Dutzend Anfragen aus dem Senat, aus beiden Klöstern und selbst von Rochefort, dem Bischof.
    Großzügig versprach Ibrahim, im nächsten Jahr jemanden mit einer Kiste voller Lesesteine vorbeizuschicken, schmunzelte anschließend in sich hinein und meinte, dass dies wohl das erste Mal sei, dass ein Muselmane Christen erfolgreich die Augen geöffnet habe.

    Der Besuch des Königs hatte sich verschoben. Die Nachricht, dass der Regent erst im Sommer des darauffolgenden Jahres kommen würde, hatte Abbéville jedoch hochgestimmt. In einem Jahr konnte viel geschehen, hatte er gutgelaunt gemeint und erneut nichts Eiligeres zu tun gehabt, als wieder einmal den Bischof von Toulouse aufzusuchen.
    „Endlich habe ich heiße Informationen über Planissoles, den Hüter“, hatte er vor seiner Abreise geheimnisvoll angedeutet, wobei seine Augen aufgeregt glänzten. „Ich will mit dem Tolosaner das weitere Vorgehen absprechen. Und Ihr, Bruder Fulco, hütet Eure Zunge, redet mir zu niemandem ein Wort darüber, habt Ihr mich verstanden! Zu keiner Menschenseele … Ach, übrigens, habt Ihr es schon gehört?

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