Rixende ... : Historischer Roman (German Edition)
Herumreißen seines Kopfes Fulco von Saint-Georges erkannte.
„Nanu, Bursche“, sagte der Inquisitor, „wir kennen uns doch! Ihr wart auf dem Schiff seinerzeit, das auf der Sandbank strandete. Was treibt Ihr hier in Carcassonne?“
„Ich? Nichts, gar nichts, ich bin nur zufällig in dieser Stadt. Geschäfte, wisst Ihr!“ Clément hatte sich schnell wieder in der Gewalt.
„Geschäfte! Das glaube, wer will“, sagte Fulco. „Ihr kommt jetzt mit mir.“
„Weshalb? Mit welchem Recht ...“ Clément versuchte Fulcos Hand zu entkommen, indem er sich unter ihr wegduckte, doch Fulco war schneller. Er packte ihn am Arm und zog ihn mit sich. Der Mann protestierte heftig. Eine junge Frau in einem blauen Gewand lief an ihnen vorüber und sah neugierig auf das Gerangel der beiden. Sie schleppte einen schweren Korb auf dem Rücken und hatte obendrein zwei kleine Kinder am Rock hängen, die sich weigerten weiterzulaufen und laut zu heulen anfingen, als die Mutter sie schalt. Fenster wurden ringsum aufgerissen, doch als die Leute den Inquisitor Saint-Georges erkannten, zogen sie die Läden vor.
„Seid nicht töricht, Clément! Macht kein unnötiges Aufsehen“, sagte Fulco. „Ich will Euch nur einige Fragen stellen!“
„Welche Fragen? Ihr habt kein Recht dazu!“ stieß der Mann trotzig hervor, und versuchte erneut, Fulco zu entkommen, der ihm jedoch körperlich überlegen war.
„Ich bin Inquisitor. Ich habe jedes Recht“, sagte Fulco mit eisiger Stimme.
Im Turm der Inquisition präsentierte ihm Fulco zuerst das Loch.
„Nun, gefällt Euch unser casa sancta ?“ fragte er ihn leise. Beim Anblick der Gefangenen hielt sich Clément erschrocken die Hand vor die Nase. Der Gestank, der nach oben drang, war ekelerregend, obwohl jetzt wöchentlich das Stroh gewechselt wurde. Einer der Elenden fluchte zum Gotterbarmen und drohte mit der Faust, andere stöhnten oder schepperten unruhig mit ihren Ketten, die ihnen Abbéville nach dem Ausbruch der drei Albigenser hatte anlegen lassen. Als Fulco meinte, Clément genügend beeindruckt zu haben, befahl er einem der Wachsoldaten, ihn nach oben zu schaffen. Ihr Weg führte durch das düstere Gewölbe, an der großen Folterkammer und den beiden Amtsstuben vorbei, vier steile Treppen hoch. Direkt unter dem Dachgebälk befand sich eine zweite, kleinere Folterkammer, die nur selten benutzt wurde. Hier oben würden sie völlig ungestört sein, und Fulco konnte Clément Respekt einflößen, sollte der Bursche es wagen, das Blaue vom Himmel herunterzulügen. Respekt und Angst!
Die Folter anzuwenden, hatte er, schon der Reformatoren wegen, gar nicht im Sinn.
Es war dunkel in der Kammer, und es zog durch alle Ritzen. An den Dachsparren steckten in eisernen Haltern Pechfackeln, die Fulco anzünden ließ. Dann schickte er den Soldaten vor die Tür. Die Fackeln knisterten und qualmten erbärmlich, der brenzlige Gestank des Pechs zog Clément in die Nase. Er hustete und seine Augen tränten. Doch das flackernde Licht zeitigte Wirkung. Nach und nach erkannte er die vielfältigen Zangen, die an der Wand hingen, die Peitschen, Schraubstiefel und Halseisen.
Fürsorglich nahm Fulco den Mann beim Arm und führte ihn am Richtertisch vorbei zur Streckbank. Dort strich er mehrere Male zärtlich über das Holz und sagte dann:
„Ihr seid ein kluger Mensch. Das habe ich den Gesprächen entnommen, die wir auf dem Weg nach Fontfroide geführt haben. Ich muss Euch diese Geräte also nicht im einzelnen erklären. Daher sagt mir jetzt, wer Euer Auftraggeber ist und wer das Opfer Eurer Überwachung.“
„Von mir erfahrt Ihr nichts, Herr“, meinte Clément mit beleidigter Stimme und zog die Nase hoch. „Denn Ihr habt weder das Recht mich zu verhaften, noch mich auf solche Weise zu befragen. Ich bin ein unschuldiger Bürger, den Ihr widerrechtlich auf der Straße aufgelesen habt, als er die Gegend betrachtet hat.“
„Widerrechtlich? Unschuldig? Die Gegend betrachtet?“ Fulco grinste. „Dass ich nicht lache! Ihr befindet Euch im Irrtum, mein Herr. Ich habe es Euch bereits gesagt: Als Inquisitor habe ich jedes Recht. Also redet endlich! Wer ist Euer Auftraggeber?“
Doch Clément zog es vor, weiter zu schweigen.
Fulco setzte sich hinter den Richtertisch. Er konnte warten.
Eine Stunde verging, zwei Stunden. Es wurde unangenehm kalt.
„Zieht Ihr es noch immer vor, zu schweigen?“ fragte Fulco nach dieser Zeit leise und setzte sich gerade auf. Clément, der stocksteif neben der Streckbank
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