Rixende ... : Historischer Roman (German Edition)
die Leute über mich aus! Du sprichst ohne mein Wissen mit Abbéville über meine Eltern und meinen Bruder. Um ein Haar hätte mich dieser Mann verhaften lassen. Der Bischof hat es mir erzählt. Und du hast mich nicht einmal gewarnt. Wie soll ich dir noch vertrauen?“
„Ich musste so handeln, Rixende. Nicht zuletzt in deinem Interesse. Abbéville wäre misstrauisch geworden, wenn ich mich seinem Befehl widersetzt hätte. Für kurze Zeit stand ich sogar unter Arrest. Aber wie du gemerkt hast, hat mein Brief an Nogaret Wirkung gezeigt. Liebste, dir wird ganz sicher nichts geschehen. Der König ist auf deiner Seite.“
„Und wie hat Abbéville deinen Verrat aufgenommen?“
„Nogaret hat den Namen des Verräters für sich behalten. Dennoch muss ich dir an dieser Stelle sagen, dass ich mich niemals auf die Seite der Ketzer schlagen werde. Ich gehöre dem rechten Glauben an und verurteile nicht nur, weil ich Inquisitor bin, jegliche Häresie. Mein Brief an Nogaret wurde aus einem einzigen Grund geschrieben: Ich fand es infam, den ehrenwerten Castel Fabri der Ketzerei zu bezichtigen, ein Vorwurf, für den es keinerlei Beweise gab.“
Erneut hatte Fulco den Müller Calveries vor Augen.
„Gut, ich glaube dir“, sagte Rixende nach einer Weile, und ihre Stimme klang nun hell und entschlossen. „Und nun bitte ich dich, mir Glauben zu schenken. Ich bin eine gute Katholikin, gleich was andere sagen oder vermuten. Doch eines werde ich nie tun, nämlich dir oder jemand anderem verraten, wo sich mein Bruder aufhält. Ich habe ihm mein Wort gegeben. Er tut nichts Unrechtes, lasst ihn also in Ruhe!“
„Dein Bruder wiegt sich in falscher Sicherheit, Rixende! Ich will dir die Wahrheit sagen, und daran magst du erkennen, dass ich es gut mit dir meine: Abbéville ist ihm längst auf den Fersen. Er ist nach Toulouse geritten, um dort einen Plan auszuarbeiten, deinen Bruder zu fangen. Wenn dir etwas an ihm liegt, solltest du ihn warnen. Die Gelegenheit dazu ist günstig, Clément war ganz sicher derjenige, der dich bewachen sollte. Schick deinem Bruder also umgehend eine Nachricht! Er soll das Land verlassen, so schnell er kann. Das ist das einzige, was ich für ihn in dieser Situation tun kann. Das einzige.“
Rixende sah ihn nachdenklich an. „Danke“, sagte sie leise.
Sie trat einen Schritt auf ihn zu, damit er sie endlich in seine Arme nehmen konnte. Sie küßten sich zuerst zärtlich, dann immer leidenschaftlicher - und Fulco dachte dabei vage, dass er wirklich nicht länger das tun wollte, was sie verabscheute.
In der Nacht nach Fulcos Besuch erschien ihr Simon im Traum. Der Bruder hatte ihr zugewunken, dann gerufen, aber Rixende hatte nichts verstehen können. Sie hatte gestöhnt und sich herumgewälzt, doch Simon hatte sich plötzlich in einen Vogel verwandelt und war davongeflogen. Am nächsten Morgen, als sie verwirrt und völlig zerschlagen aus ihrem Bett kroch, stand ihr Entschluss fest. Sie würde Simon warnen. Doch sie wollte keinen Fremden zu ihm schicken, auch nicht Aton, sondern ihn selbst aufsuchen, ganz gleich ob der Winter vor der Tür stand. Der Verkauf war schon so weit vorbereitet, dass sie mit Suleyman handelseinig wurde. Das Geschäft würde, ganz wie er es vorgeschlagen hatte, nach ihrer Rückkehr endgültig aufgelöst werden.
Kopfschüttelnd packte Benete warme Sachen zusammen und erteilte ihr tausend gute Ratschläge, und Suleyman überließ ihr großzügig seine Diener - vier schwerbewaffnete Muselmanen, die ihr Leben für Rixende lassen würden, so es denn sein müsste.
Das Wetter war günstig. Sie ritten schnell und erreichten am dritten Tag bereits den Quéribus, der sich in schwindelnder Höhe falkengleich an die geschlossene Faust des Felsens zu klammern schien. Die Muselmanen konnten sich gar nicht genug wundern über dieses kühne Bauwerk.
Entschlossen machten sie sich an den Aufstieg. Auf dem Col du Grau de Maury und anderen benachbarten Gipfeln lag bereits erster Schnee. Die Pferde hinter sich herziehend, stiegen sie auf einem breiten Weg den steilen Nordhang hinauf, bis sie zu einer Plattform kamen. Von dort führte eine zum Teil in den Fels gehauene, zum Teil aus Steinblöcken errichtete Treppe zum ersten Vorwerk. Je höher sie kamen, desto stärker pfiff der Wind, und zerrte bald so an Mensch und Tier, dass man nur mühsam in geduckter Haltung vorwärtskam. Rixende hatte es einzig der Wachsamkeit der Muselmanen zu verdanken, dass sie nicht von der kalten Tramontane wieder ins
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