Rixende ... : Historischer Roman (German Edition)
immer sein Becher sich halb geleert hatte.
Als Rixende nach einer angemessenen Zeit bat, sich zurückziehen zu dürfen, spürte Marly bereits das heftige Rauschen seines Blutes und setzte alles auf eine Karte.
„Ihr seid Witwe, habt Ihr mir erzählt, liebe Frau Ava“, sagte er und zeigte dabei lächelnd seine Zähne, „eine einsame Frau also ... Was macht eine einsame Frau des Nachts? Sagt es mir? Wer wärmt sie, wer küsst sie?“ Er versuchte ihren Arm zu streicheln.
„Niemand!“ sagte Rixende eisig und stand auf. Doch da hielt er sie am Arm zurück.
„Ihr vergesst Euch, Herr!“ stieß Rixende hervor.
„Bitte, Ava, Ihr seid so schön – wir ... wir beide sind doch sehr einsam. Wir könnten uns gegenseitig trösten ...“ Und dann brach es geradezu aus ihm heraus, wobei Rixende sich, trotz der unschönen Situation, in der sie sich befand, beinahe das Lachen nicht verkneifen konnte: „Lasst uns gemeinsam auf der goldenen Leiter in den Himmel steigen!“ Mit diesen Worten fiel der Mann vor ihr auf die Knie.
Kleine Schweißtröpfchen standen auf Rixendes Stirn, die nichts mit dem knisternden Kaminfeuer in ihrem Rücken zu tun hatten. Was sollte sie jetzt tun? Da stürzte plötzlich Stephane herein. Unwillig herrschte der Statthalter seinen Soldaten an.
„Was willst du noch, Bursche?“
„Der Hypocras, Herr ...“
„Ach ja, sehr gut, Bursche! Der Hypocras! – So lasst uns vor dem Schlafengehen noch einmal anstoßen, edle Dame“, sagte er und stand wieder auf. „Danach will ich Euch zu Euren Gemächern begleiten.“
Marcel hatte sich inzwischen an den Bechern zu schaffen gemacht.
Rixende mochte eigentlich diesen Würzwein nicht besonders, bemerkte jedoch, wie Stephane ihr beim Einschenken kurz zuzwinkerte. Konnte sie dem Burschen trauen? Sie gab sich einen Ruck und stieß mit Marly an. Beide tranken – wie es Brauch ist – ihren Becher auf einen Zug leer.
Rixende wollte nun endlich aufstehen, doch Marly drängte sie, einen allerletzten Hypocras mit ihm zu trinken. Langsam bekam es Rixende tatsächlich mit der Angst zu tun. Doch dann hielt er plötzlich mitten in der Bewegung inne, stieß einen komischen Laut hervor, ließ den Becher fallen, so dass er davonkollerte und zerbrach, verdrehte seltsam die Augen und sank dann mit einem Röcheln in sich zusammen.
Rixende erschrak. „Was ist mit Euch, Herr Statthalter? Geht es Euch nicht gut?“
„Doch“, sagte Marcel an seiner Statt. Die beiden Soldaten waren im selben Augenblick hereingekommen, packten nun den Statthalter entschlossen an Armen und Beinen und machten sich daran, ihn aus dem Saal zu schleppen.
„Es geht ihm wirklich gut, er schläft nur, Herrin“, beruhigte sie Stephane. „Und er wird gewiss vor morgen früh nicht aufwachen, dann jedoch seid Ihr längst im Tal und in Sicherheit vor ihm.“
„Ihr habt ihm etwas in den Hypocras getan?“
Der junge Mann lachte verschmitzt. „Eine gehörige Portion Mönchspfeffer, jawohl, dazu der viele Wein, den er getrunken hat, das gibt ein hölzernes Maul morgen früh, o weh, o weh!“
Als Stephane im Morgengrauen Rixende zur ersten Vorburg hinuntergeleitete, erklärte er ihr den Weg zu der Höhle von Lombrives. Sie läge im Sabarthès, in der Nähe von Tarusco. Er gab ihr auch eine Nachricht für seine Angehörigen mit. Wie sie im Höhlenlabyrinth allerdings ihren Bruder und die anderen Katharer finden könnte, wusste er nicht zu sagen. Rixende steckte ihm zwei Silberstücke zu und bedankte sich noch einmal herzlich für alle Hilfe in der Nacht.
Der Kerkermeister Polignac hatte es kaum erwarten können, Abbéville nach seiner Rückkehr brühwarm von dem tödlichen Fenstersturz zu berichten. Abbéville ahnte, um wen es sich bei dem Mann handelte, der auf so ungewöhnliche Weise Hand an sich gelegt hatte.
„Bist du absolut sicher, Polignac?“ hatte er gefragt und seine Mundwinkel hatten verräterisch zu zucken begonnen.
„Es gibt keinen Zweifel, Herr Inquisitor. Es war derjenige, der Euch manchmal besuchte, der mit einem griechischen Bart.“
Der Inquisitor zog seinen Beutel hervor und belohnte den Mann fürstlich.
Dann verlangte er auf der Stelle Bruder Fulco zu sprechen.
Als Saint-Georges vor Abbéville stand, merkte er sofort, dass es um seine Sache nicht gut bestellt war.
„Ich habe soeben erfahren, was in meiner Abwesenheit hier vorgefallen ist. Einer meiner besten Leute ist tot. Ihr hattet die Verantwortung. Begebt Euch unverzüglich ins Kloster, und wartet dort auf
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