Rixende ... : Historischer Roman (German Edition)
weiteren Spitzel auf sie angesetzt hatte, von dem Fulco nichts wusste. Er hatte ja auch Clément nicht bemerkt. Oder dieser schreckliche Marly vom Quéribus? Was, wenn er Verdacht gegen eine gewisse Ava geschöpft hatte, die ihm nicht nur nicht zu Willen gewesen war, sondern sich obendrein heimlich im Morgengrauen davongeschlichen hatte?
An der Nähe des Sees suchten die Muselmanen sich ein Versteck für die Pferde. Mustafa, der sich noch zu schwach fühlte, um den Berg zu besteigen, sollte auf sie achtgeben. Rixende und die anderen schlichen sich unter großen Mühen jenseits des Saumpfades den steilen Hang hinauf, bis sie zu einer undurchdringlichen Schlehdornhecke rechts oberhalb der Höhle kamen. Dort ließen sie sich keuchend auf die Knie, um hinunterzuschauen.
Was ging dort vor sich? Die Angst schnürte Rixende die Kehle zu, als sie
vielleicht zwanzig schwerbewaffnete Soldaten zählte, die rechts und links des Saumpfades postiert waren, wachsam die Gegend beobachtend und die Bogen schussbereit. In der Nähe, wo sie die Begegnung mit der Schlange gehabt hatte, standen zwei Maultiere. Sie schrien, was das Zeug hielt, weil man ihnen die Beine zusammengebunden hatte. Direkt vor dem Höhleneingang lagen hoch aufgetürmt Bruchsteine herum, daneben schwere Quader und etliche Körbe voller Lehm. Plötzlich hörte Rixende leises Glöckchengebimmel, Rufe und Peitschenknallen. Sie spähte auf den Weg hinunter. Zwei Dominikaner kamen den Berg herauf und in ihrem Gefolge weitere, offenbar schwer mit Steinen beladene Maultiere – eines hinter dem anderen. Ungeachtet der Dornen, die sich in ihrer Fellweste und ihrem Turban verhakten, kroch Rixende zum äußersten Ende des Gestrüpps. Als sie die Zweige vorsichtig auseinanderbog, um eine noch bessere Sicht auf den Höhleneingang zu haben, stellte sie entsetzt fest, dass das Schreckliche bereits in vollem Gange war. Die Inquisition von Tarusco war nicht dabei, die Ketzer auszuräuchern, wie der Wirt gemeint hatte, nein, sie hatte vielmehr den Auftrag erteilt, die große Höhle von Lombrives zuzumauern, mit allem, was sich darinnen befand!
Die Dominikaner gesellten sich zu den Bauleuten am Höhleneingang und gaben ihnen irgendwelche Anweisungen. Währenddessen wurden die Packtaschen der ankommenden Maultiere entladen, wobei die Männer die Bruchsteine entweder auf den Haufen warfen oder sie gleich zu den Bauleuten am Höhleneingang schleppten. Handelte es sich um schwere Steine, kamen Adlerzangen zum Einsatz.
Erneut kroch die Angst in Rixende hoch. Stein auf Stein. In der Höhle war ihr dieser Höllenspuk geoffenbart worden, aber sie hatte es nicht glauben wollen.
Sie atmete zu schnell, und ihr Herz schlug zu heftig, so dass ihr übel wurde und sie befürchtete, sich gleich übergeben zu müssen. Was soll ich nur tun, dachte sie verzweifelt und presste die Hand auf den Mund. Simon, Simon, wach auf! rief sie dem Bruder im Geiste zu. Wehrt euch doch endlich! Noch seid ihr in der Überzahl. Fünfhundert Katharer gegen – Rixende überschlug rasch die Zahl - vielleicht hundert Soldaten!
Nein, sie verbesserte sich enttäuscht, nicht fünfhundert Katharer! Es befanden sich ja Frauen und Kinder unter ihnen.
Ach, sie werden alle sterben, dachte sie resigniert. Irgendwann gehen ihre Vorräte zu Ende.
Doch was hatte der Bruder zu ihr gesagt? „Hart und steinig ist der Weg, der zum Himmel führt?“ Hart und ... Mein Gott! Steinig!
Stein auf Stein ... Unbeirrt und nichts von den verzweifelten Gedanken und der Verlassenheit einer jungen Frau in ihrer Nähe ahnend, setzten die Soldaten und Bauleute ihr schreckliches Werk fort.
Die Mauer wuchs und wuchs. Zusehends.
Derbes Gelächter drang zu ihr herauf, als einer der Männer auf einer Lehmspur ausrutschte.
Ibrahims Leute kauerten derweilen dicht zusammengedrängt hinter der undurchdringlichen Hecke und disputierten die fatale Lage. In Anbetracht der vielen Soldaten kamen sie überein, die Herrin inständig zu bitten, kein Wagnis einzugehen und sofort nach Hause zu reiten. Im Westen zögen bereits Schneewolken auf, sagten sie nach einer Weile zu ihr, ein kalter Wind hätte ihnen doch schon auf dem Weg hierher um die Nase geblasen. Am Ende würde die Herrin so krank werden wie zuvor Mustafa.
Doch Rixende zögerte, denn sie hatte bemerkt, dass plötzlich etliches Volk den Berg erklomm, Bauern, soweit sie es sehen konnte. Eine leise Hoffnung regte sich in ihr, es könnte sich um besorgte Angehörige handeln, die dem unseligen
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