Rixende ... : Historischer Roman (German Edition)
mit den Augen zwinkerte. Der vierte Mann, offenbar der Anführer der Gruppe, mit dunkelglänzenden langen Haaren, die er zu einem Pferdeschwanz gebunden trug, war großgewachsen und gutaussehend. Mit lauter Stimme und unter trefflichen Gebärden begann er Spottgeschichten aus dem Stadtgeschehen vorzutragen oder sie in gereimter Form zu singen. Im Nu war die Gruppe von einer Schar Bürger umringt, die mit Gelächter, zustimmenden Ho-Ho-Rufen und ausgelassenem Schenkelklopfen die Vorstellung quittierten. Auch Elias Patrice war neugierig geworden. Nebst anderen Konsuln schlenderte er zu den Musikern hinüber, im Abstand gefolgt von einigen Damen, unter ihnen auch Rixende. Die Frauen mussten sich jedoch auf die Zehenspitzen stellen, wenn sie den Spielleuten ins Antlitz sehen wollten, denn es herrschte bereits Gedränge. Gerade begann der Barde mit einem neuen Lied, das nach jedem Vers durch einen wilden Trommelwirbel unterbrochen wurde. Tanderadei!
Zuerst dachte sich Rixende nichts Arges, im Gegenteil, sie bewunderte die volltönende, ein wenig spöttische Stimme des Mannes, die Ähnlichkeit mit Fulcos Stimme hatte, doch dann, beim vierten Reim stieg ihr von einem Atemzug auf den nächsten die Schamröte ins Gesicht.
„In Carcassonne lebt eine Frau, Tanderadei,
ihr alle kennt sie ganz genau, Tanderadei,
Geistvoll ihr Mund - von Gestalt eine Zier,
… damit erregt sie jedes Klostermanns Gier.“
Einzelne Leute lachten. Mit höfisch-eleganter Geste zog der Sänger das Band aus seinen Haaren, die daraufhin weit über seine Schultern fielen. Er schüttelte eitel das Haupt und begann auf anzügliche Weise abwechselnd über seine rechte und seine linke Brust zu streicheln.
„Sie ist so schööön ...“, fügte er hinzu, um dann theatralisch zu seufzen: „O jaaa! ...
Und sie ist so reich! Ja, ja, ihr habt recht gehört, ihr edlen Männer und Frauen von Carcassonne ... Sooo reich!“
Zur Unterstützung seiner Worte zog er einen dicken Beutel hervor und klimperte damit in die Runde. Dann begann er blasiert seine Lippen zu einem auffälligen Kussmund zu spitzen, bevor er die Strophe hart und schnell mit folgenden Worten sowie einer obszönen Handbewegung beendete:
„... und wer nachts sie beglückt, das ist ihr ganz gleich, Tanderadei!“
Alles grölte jetzt. Der Flötist wiederholte die Melodie, der Lautenspieler zupfte eine kurze Sequenz, während der Trommler grimassierend mit den Schlegeln wirbelte, was das Zeug hielt: Tanderadei!
Rixende stand wie festgewachsen schräg hinter Patrice, zog den Kopf ein und wartete darauf, dass sich auf der Stelle der Erdboden für sie auftat, um sie gnädig zu verschlucken. Eine ähnliche Szene hatte sie schon einmal erlebt, auf der Burg des Einhorns. Schon streifte sich der Sänger für seine nächste Bosheit eine Dominikanerkutte über.
„Ach liebe, schöne, reiche Frau, Tanderadei,
Ihr kennt das Mönchlein ganz genau, Tanderadei ... nicht wahr?“ sang er jetzt aus voller Brust.
„Die Kutte fein sauber und määächtig fromm …“
Viele nickten zustimmend und lachten, als der Sänger begann, sich in seiner Verkleidung eitel im Kreis zu drehen.
„ der Prior wohl in den Himmel komm! Tanderadei!“
„In der Hölle soll er braten, der Hund!“ schrie einer der Umstehenden und reckte drohend die Faust. Der Sänger lachte. „Still Leute, ich bin noch nicht am Ende!“ Er nahm ein Tamburin in die Hand und ließ kurz die Schellen rasseln. Ein Trommelwirbel ertönte. Dann fuhr er fort:
„Wie süßer Liebesreime Kranz sich windet,
ist er verliebt in die eig` ne Heiligkeit - stimmt`s Leute ?“
Wieder nickten die Zuschauer eifrig .
„Doch Rittermäre, Minnelieder schwindet,
wenn er liiiebt zugleich … Tanderadei … Ja, was wohl, ihr hochwohlgeborenen Damen und Herren von Carcassonne? Ja, was wohl? Was liebt er zugleich! Sagt es mir! Wie? Jetzt seid ihr plötzlich stumm? Ihr wollt es mir nicht erzählen? Na, so was!“
Einige Leute wollten sich ausschütten vor Lachen, andere sahen so gespannt auf den Sänger, als erwarteten sie auf der Stelle irgendwelche Wundertaten.
„wenn er liebt zugleich“, wiederholte er, „ der Dame selig Pförtlein - das Himmelreich! Tandera ...“
„Schluss mit diesem faulen Possenspiel! Ich bin Konsul dieser Stadt, packt Eure sieben Sachen und verschwindet, sonst lasse ich euch wegen übler Nachrede in den Turm werfen!“
Noch bevor der Troubadour den letzten Satz rasch zu Ende hatte singen können, war es aus Elias Patrice
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