Rixende ... : Historischer Roman (German Edition)
Gesichter stark aufgedunsen waren, zu entkleiden. Als er ihnen unter die Achselhöhle blickte, erschrak er sichtlich.
„Herr Prior“, wandte er sich an Fulco, der mit Bruder Angelo unter der Tür des Krankenzimmers stehengeblieben war, um der Untersuchung beizuwohnen, „bitte verlaßt augenblicklich dieses Gebäude. Ich will später mit Euch reden.“
Die pflegenden Mönche begannen sich Blicke zuzuwerfen.
„Herr, handelt sich etwa um Fleckfieber?“ wagte Bruder Urban leise zu fragen.
Johann von Göttingen nickte. „Kein Zweifel“, sagte er. „Seht her, dies ist der typische, feinfleckige Hautausschlag, den das Fleckfieber hervorruft, hellrot, linsengroß. Die Ursache sind Miasmen, schlechte Ausdünstungen. Der Ausschlag wird sich in wenigen Tagen auf den ganzen Körper ausdehnen, mit Ausnahme des Gesichts, der Handflächen und Fußsohlen. Räuchert noch heute das Krankenzimmer aus, auch die Zellen, in denen diese Mönche gearbeitet haben, und natürlich das gesamte Dormitorium. Versprüht zusätzlich Essig in allen anderen Räumen. Die Kranken, die noch bei Bewusstsein sind, sollen sich einen Essigschwamm vor den Mund halten. Dann stoßt alle Läden und Türen auf und lasst sie mindestens acht Tage offenstehen. Die Luft, darin du wohnst, sei licht, rein von Gift und stinke nicht!“
Der Bischof öffnete seinen Schnappsack und entnahm für jeden der Erkrankten eine blaue Wachsscheibe mit dem Agnus Dei darauf. Diese Scheiben legte er den Mönchen auf das Herz. Dann sprach er ein kurzes Gebet.
„Was können nach Eurer Erfahrung die Gesunden tun, damit sie nicht auch erkranken?“ fragte Urban, als sich Johann von Göttingen zum Gehen anschickte.
„Sie sollen noch heute Bäder nehmen, Schwitzbäder. Gießt auch dort reichlich verdünnten Essig auf die heißen Steine, damit sie ihn mit dem Wasserdampf einatmen. Und dann betet. Mehr könnt Ihr nicht tun, Bruder!“
Mit diesen Worten verließ er das Hospital. Im Kreuzgang warteten bereits ungeduldig Fulco und Angelo.
„Fleckfieber“, sagte der berühmte Arzt nun auch zu ihnen. „Um Christi Willen, lasst nach mir niemanden mehr aus dem Kloster, bis die Krankheit abgeklungen ist! Später, wenn alles vorüber ist, holt Euch einen tüchtigen Rattenfänger aus der Stadt. Diese Biester dünsten Krankheiten aus. Ja, schaut nicht so verwundert, Euer Kloster ist alt und Ratten, Mäuse und anderes Ungeziefer sind ein elendes Geschmeiß! Doch nun zu Euch, Prior. Ihr müsst sofort Euren Körper von den schlechten Säften reinigen. Badet, kaut wohlriechende Pfefferminzblätter und Gewürznelken, macht Spülungen mit heißem Wein, den ihr zuvor mit Zimtrinde und Kümmel aufgekocht habt, und vergesst vor allem für eine Zeitlang nicht, morgens und abends die Zähne mit einem Pulver einzureiben, dessen Hauptbestandteile ich Euch nun rasch aufschreiben will, denn ich bin in beträchtlicher Eile.“
Als der Göttinger zur Klosterpforte hinausgehastet war, waren sich Fulco von Saint-Georges und Angelo einig. Die Lage war ernst und erforderte strenge Maßnahmen. Dennoch bat Angelo Fulco eindringlich, sich in Sicherheit zu bringen und das Kloster noch in der gleichen Stunde zu verlassen. Doch Saint-Georges lehnte rundweg ab. Es wäre nicht seine Art, die Brüder in der Not im Stich zu lassen.
Groß und klein, jung und alt strömte am Tag des Heiligen Benedikt auf den Marktplatz von Carcassonne, den ein blauer, beinahe wolkenloser Festhimmel überspannte. Bereits in den frühen Morgenstunden, als noch ein angenehm kühles Lüftchen wehte, waren allerlei Spaßmacher, Narren und Musiker eingetroffen, die nun, um die Mittagszeit, zum letzten Mal ihre Instrumente stimmten. Dabei wurden sie umringt von schnatternden, neugierigen Kindern, die etwas älteren Mädchen unter ihnen schon im Festgewand und blumenbekränzt. Zwei Akrobaten führten Kunststücke vor, sie schlugen Rad und liefen wieselflink auf ihren Händen herum. Ein Stück weiter, ausgerechnet vor dem Karren des ersten Karbonadenverkäufers der Stadt, versuchte ein verschlagener, schmuddelig wirkender Gaukler mit unanständigen Gebärden, ja gar mit dem Entblößen seines Hinterteils, die Umstehenden zu belustigen. Dies stieß allerdings bei zwei älteren Frauen und vor allem beim Fleischverkäufer selbst auf wenig Gegenliebe. Sie jagten ihn kurzerhand davon.
Vor dem Turm St. Paul ließ ein Tierbändiger einen gewaltigen Braunbären tanzen. Der Bär stellte sich zwar noch ein wenig dumm an und riss ständig an
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