Rixende ... : Historischer Roman (German Edition)
an diesen furchtbaren Inquisitor gedacht hatte, selbst wenn es nur ganz kurz gewesen war.
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Mit manchem Wort, davon zu schweigen gut,
wie dazumal das Reden mochte frommen ...
Dante, Die Göttliche Komödie
Der Abschied von Mengarde war tränenreich. Schluchzend hängte sich Rixende an ihren Hals, und die Muhme musste sich mehrmals die Augen wischen, bevor sie einen der Karren der Fabris bestieg, um unter Auccasinnes Schutz nach Hause zu fahren.
Die beherzte Frau aus Gavarnie, die Rixende zehn Jahre lang die Mutter ersetzt hatte, musste nun ihr Mündel in einer Stadt zurücklassen, in der es vor Gefahren nur so wimmelte. Einerseits – so beruhigte sie sich - würde die Familie Fabri Rixende jeglichen Schutz gewähren, der in diesen unruhigen Zeiten möglich war, andererseits war da dieser Vorfall mit dem Einhorn: die Prophezeiung und das sonderbare Verhalten des Inquisitors.
Irgend etwas war im Gange. Doch was?
Mengarde war sich zwar sicher, dass Rixende diesen eitlen Dominikaner keinesfalls ermutigen würde, schon um ihrer neuen Familie nicht zu schaden. Aber forderte sie mit einem solchen Verhalten den Mann nicht erst heraus? Ja, sie ängstigte sich beträchtlich um Rixende. Aus diesem Grunde hatte sie vor der Abfahrt Rixende noch einmal zur Seite genommen, sie in die Besenkammer gezogen, wo sie niemand hören konnte.
„Achte genau auf meine Worte, mein Kind“, sagte sie, und Rixende war über den Ernst, den die Muhme an den Tag legte, erschrocken gewesen.
„Ich lass dich hier nicht zurück, ohne dir ein Versprechen abgerungen zu haben. Es geht um diesen Inquisitor. Die schönen Augen, die dir dieser Mann macht, sind nichts als blanke Hoffart. Er trägt Wasser in der einen und Feuer in der anderen Hand, will heißen, dass er für deinen Mann, deinen Bruder und vor allem für dich nur Unglück bedeuten kann. Ich weiß, dass er dir gefällt, und ich war auch einmal jung. Er ist ein Mann von großer Anziehungskraft, dennoch flehe ich dich an, versage dir ab sofort jeden Gedanken an ihn.“
Rixende hatte die Augen aufgerissen vor Überraschung.
„Aber Muhme, wie kannst du so etwas vermuten. Ich bin eine verheiratete Frau.“
Rixendes Empörung über den absurden Verdacht, den Mengarde hegte, war nicht gespielt. Das, was sie selbst nicht wahrhaben wollte, was sie in der hintersten Ecke ihres Herzens verbarg, weil es sogar verboten war, daran zu denken, durfte auch kein anderer aussprechen.
„Ach, Täubchen“, flüsterte Mengarde und nahm Rixende in den Arm. „Für jede Dummheit findet sich einer, der sie begeht. Ich habe Augen im Kopf, und die sehen noch immer gut, auch in einer dunklen Kirche. Leugne also nicht. Ich will dir einen Rat geben. Du musst dir nur immer wieder einreden, dass die Blicke dieses Mannes so falsch wie die einer Schlange sind und seine Liebenswürdigkeit nur gespielt. Er muss so handeln, um an Informationen über die Leute zu kommen. Ganz bewusst setzt er sein gutes Aussehen, seine besondere Ausstrahlung ein, um die Leute … ja vor allem, um die Frauen für sich einzunehmen. Denk an deine Eltern! Noch nie hat einer der unseligen Schwarzröcke Gutes über jemanden wie uns gebracht, mochte er zuvor noch so freundlich gewesen sein. Geh diesem Mönch also zukünftig aus dem Weg, würdige ihn in der Kathedrale keines einzigen Blickes mehr. Versprich es mir, Täubchen!“
„Ja, gut, ich verspreche es.“ Rixende hatte den Satz mehr geflüstert als gesprochen.
„In die Hand!“
Die junge Frau hatte zögernd ihre Hand ausgestreckt, und die Muhme hatte sie lange festgehalten.
„Gut, ich denke, du hast verstanden“, hatte sie nach einiger Zeit gemeint und die Tür wieder freigegeben. „Jetzt kann ich beruhigt nach Hause fahren.“
Zwei Tage darauf stand beim ersten Hahnenschrei die Köchin Benete vor Rixendes Gemach und bat schwer atmend um Einlass. Weil sie zu dick war, machte ihr das Treppensteigen Mühe. Rixende kämmte sich gerade das Haar.
„Tritt ein, Benete, geht es um das Wirtschaftsgeld für die kommende Woche?“
„Nein, Herrin ...“ Benete keuchte noch immer und hielt sich die Hand aufs Herz. „Es geht um ... um ... also ...“
„Nun sprich frei heraus!“
Rixende hatte sich zu ihr herumgedreht und sah sie aufmerksam an.
„Es geht um ein Gerücht, das in Carcassonne die Runde macht, Herrin!“
„Ein Gerücht?“
„Ja – es tut mir leid, aber Ihr seid der Gegenstand dieses Gerüchtes.“
„Wie? Ich? ... Jetzt rede nicht um den heißen Brei herum!
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