Rixende ... : Historischer Roman (German Edition)
gesunde Rückkehr zu beten.
Am nächsten Morgen beobachteten die Bürger von Carcassonne mit Schrecken, wie die Soldaten des Königs auf dem Place St. Nazaire den angekündigten Scheiterhaufen errichteten. Die Durchführung eines „Schönen Feuers“ oblag der weltlichen Gewalt, also dem Seneschall, denn das kanonische Recht schrieb zwingend vor: Ecclesia non sitit sanguinem - oder wie der Volksmund zynisch zu sagen pflegte: Das geistliche Schwert macht sich nicht schmutzig - es richtet nicht über Blut.
Nach dem sonntäglichen Aufruhr hatten sich die Konsuln den ganzen Nachmittag und die halbe Nacht besprochen. Am frühen Morgen war dann eine Abordnung bei Abbéville erschienen, um sich in aller Form für den gestrigen Zwischenfall zu entschuldigen. Die Senatoren waren nicht gerade vor dem Inquisitor zu Kreuze gekrochen, hatten ihn aber dennoch im Anschluss an ihre wohlgewählten Worte inständig gebeten, Gnade vor Recht ergehen und die Männer von Albi am Leben zu lassen. Doch Abbéville war unerbittlich geblieben.
„Ihr dürft es mir glauben, meine Herren Senatoren“, hatte er im Beisein Fulco von Saint-Georges` gesagt, der seinen linken Arm schonte, wo ihn ein Stein getroffen hatte, „die Kirche dürstet nicht nach Blut. Es wäre ihr aber als Schwäche auszulegen, würde sie die Häresie mit dem Mantel der christlichen Liebe bedecken. Gott ist Recht. Und das Feuer hat eine reinigende Kraft, es sorgt dafür, dass die Ketzerei vom Erdboden getilgt wird.“
„Gott ist gerecht, und Wahrheit ist Recht, Herr Inquisitor, doch wo Gewalt herrscht, schweigen die Rechte“, wagte Elias Patrice mutig einzuwenden, während die anderen Konsuln betreten zu Boden sahen.
„Ach“, hatte da Abbéville gehöhnt. „Gerade Ihr solltet fein stille sein, Herr Patrice, die Ihr dem reichen Castel Fabri die Stange haltet. Es war schon weise, was Bonifatius seinem Sohn mit auf den Weg gegeben hat.“
Patrice merkte auf.
„Wie meint Ihr das, Herr Inquisitor?“ fragte er, die Stirn gerunzelt.
„Nun, Ihr könnt es ja nicht wissen, da jener Unselige – wie ich hörte - verschollen ist. Vielleicht versteckt er sich aus Angst, seinem Vater unter die Augen zu treten!“
„Aus Angst? Redet bitte nicht in Andeutungen!“
„Nun, Bonifatius hat Euren Busenfreund verflucht, und auch Ihr, werter Herr Patrice“ – Abbéville sah sein Gegenüber mit gleichmütiger Miene an –, „auch Ihr riecht schon nach dem Scheiterhaufen.“
Patrice war bei Abbévilles Worten zurückgefahren. Bleichen Antlitzes, die Lippen zitternd, stieß er hervor:
„Im Namen des Senats von Carcassonne bitte ich um den genauen Wortlaut dessen, was der Heilige Vater Aimeric Fabri mitgeteilt hat.“
Abbéville schnaubte.
„Geht. Ihr werdet es noch bald genug erfahren und zwar schriftlich.“
„Das bedeutet Krieg.“ Martin Picardé hatte ausgesprochen, was alle befürchteten.
Dann fasste man einen Entschluss.
In Windeseile trommelten die Senatoren alle verfügbaren jungen Männer zusammen, um sie zu bewaffnen. Als dann am späten Nachmittag die Gefangenen auf Karren zum Scheiterhaufen gebracht wurden – sie waren tatsächlich größtenteils so schwach, dass sie nicht mehr selbst laufen konnten und mussten sich obendrein die Augen zuhalten, weil die Sonne sie blendete –, hatte sich bereits ein enger Menschenkreis um den großen Holzstoß gebildet. Viele trugen Lanzen, Stecken und Mistgabeln mit sich. Die Soldaten prügelten auf die Leute ein, sie drohten mit Haft und Schlimmerem, um sich einen Weg zu bahnen, doch sie hatten nur wenig Erfolg, denn es gesellten sich immer mehr hinzu, die bald in mehreren Reihen den Scheiterhaufen umstellten.
Als das Oval der Sonne nach einem letzten gleißenden Aufstrahlen zu einer glutroten Masse zerfloss, waren wohl gut vierhundert Menschen um die Richtstätte versammelt.
„Feuer!“ schrie einer aus der Menge, als es dunkel wurde, andere fielen ein. Und schon flammte das erste Reisig auf. Bald loderte der Scheiterhaufen wie das Höllenfeuer selbst.
Da schleppte Petrus von Vaisette mit Jean Poux` Hilfe eine Vogelscheuche herbei, gekleidet wie ein Dominikaner. Unter dem Jubel vieler schob man den Balg über die Köpfe der Leute hinweg, um ihn auf den Holzstoß zu werfen. Die Menschen johlten, als er hell auflodernd brannte.
Dann sangen sie gemeinsam das Te Deum.
„Wir haben dafür Sorge getragen, dass heute kein ´Katzenschinden` stattfindet“, schrie eine Frau, nachdem die Puppe völlig verbrannt war.
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