Rixende ... : Historischer Roman (German Edition)
alle wissen, was mitunter in den Küchen vor sich geht, und für wen unsere Mägde das feine Brot backen. Insofern hat Abbéville recht: Unsere Häuser sind verseucht. Vielleicht waren wir in der Vergangenheit zu tolerant.“
„Gut möglich“, warf Fabri ein. „Der Katharismus ist eben wieder die Sache der einfachen Leute, so wie er es wohl von Anbeginn her war. Die Adligen, die ihn lange begünstigt haben, wurden verfolgt, ihr Besitz konfisziert. Nun kritisieren die Katharer einerseits - zu Recht, wie wir wissen - , dass die Kirche sich maßlos bereichert, aber sie predigen andererseits, ganz in unserem Interesse, die Zulässigkeit des Handelsprofits. Weswegen sollten wir sie also ächten? „Natürlich, da gebe ich dir völlig recht, mein Freund. Aber nun, nachdem wir das Autodafé verhindert haben, wird uns die Inquisition mehr denn je beschatten. Unser Besitz stellt eine zu große Versuchung dar. Sollte sich dein Zustand gar verschlechtern, Fabri - was der Herr verhüten möge -, so dring darauf, dass Tag und Nacht einige Franziskaner an deiner Seite sind.“
Castel Fabri hob die Brauen, doch Patrice fuhr bereits fort:
„Du verstehst, was ich damit sagen will, nicht wahr? Ich muss nicht deutlicher werden?“
„Hm ... ich verstehe. Sprich weiter ...“
„Nun, wenn ich dir noch einen Rat geben darf. Schreib diesem Muselmanen, dessen Namen ich mir nie merken kann, gleich heute, gleich jetzt“, sagte Patrice mit Nachdruck. „Er kennt den Tuchhandel und ist zuverlässig. Er wird dir einen Rat geben für den Notfall, wenn Aimeric ...“
„Das will ich tun. Und der Zeitpunkt ist günstig, denn er hält sich bereits in Aragon auf. Würdest du für mich den Brief aufsetzen und besorgen lassen, mein Freund?“
Patrice nickte.
„Schreib also Ibrahim ben Suleyman folgendes ...“
„Herrin“, teilte Paco ganz aufgeregt mit, als er, völlig verschmutzt, mit Benetes Sohn aus dem Labyrinth zurückgekehrt war – sie nahmen inzwischen den kürzeren Weg vom Lager aus -, „es sind schon wieder welche gestorben. Nun sind es nur noch siebzehn, die im Loch sitzen. Einer von ihnen, der kräftigste, hat mich heute am Arm festgehalten. Wir sollen ihm ein Eisen bringen, damit er sich befreien kann. Er wäre jetzt stark genug dazu.“
Rixende erschrak. Délicieux befand sich noch immer außerhalb von Carcassonne. Die Befreiung auch nur eines einzigen Gefangenen war aber ohne ihn nicht möglich.
„Ich will morgen mit dir gehen, Paco“, sagte sie, „und selbst mit dem Mann reden.“
Am nächsten Morgen suchte sich Rixende tatsächlich ein Barett, alte Beinlinge und ein zerschlissenes Wams, das irgendwann Aimeric getragen hatte. Dann schickte sie Felix und die beiden anderen Gesellen mit einem Auftrag auf den Markt.
Rasch schlüpfte sie in die Männerkleidung und kroch hinter Paco in den Geheimgang.
Es war dunkel und feucht. Rixende konnte das erste Stück nur in gebückter Haltung überwinden. Sie musste husten, und der Schweiß lief ihr den Rücken hinab. Paco, der den Weg bereits in- und auswendig kannte und sie vor jeder Stolperstelle warnte, ging mit der Fackel voraus. Als sie endlich vor der Mauer des Inquisitionsgefängnisses angekommen waren, drückte er Rixende die Fackel in die Hand. Dann löste er mit einem Werkzeug den bewussten Stein aus der Mauer. Rixende kniete nieder und steckte den Kopf durch die Öffnung. Ein scharfer Geruch nach Urin und Kot schlug ihr entgegen, so dass sie zurückwich und sich fast übergeben musste. Die Dominikaner wollen Christenmenschen sein, dachte sie wütend, dieses Stroh war gewiss seit Wochen nicht mehr gewechselt worden! Abbéville und Saint-Georges waren nichts als elende Heuchler, die angeblich zum höheren Ruhme Gottes die Menschen ins Verderben stürzten!
Auf allen vieren kroch eine Gestalt zu ihr heran. „Hast du das Eisen mitgebracht, Junge?“ flüsterte ein wachsbleicher Mann, dessen unheimliche Augen im Schein der Fackel funkelten.
„Hört, Herr“, sagte Rixende. „Der Junge hat mir Euren Wunsch ausgerichtet. Euch wird geholfen. Jedoch ist der Zeitpunkt sehr ungünstig. Wir müssen die Rückkehr des Mannes abwarten, der alles in die Wege leiten kann. Bitte habt Geduld! Diese Vorsichtsmaßnahme dient Eurer eigenen Sicherheit.“
„Geduld, Geduld“, krächzte der Gefangene, und erneut blitzten geradezu unheimlich seine Augen auf. „Wie könnt Ihr uns so etwas raten!“
Blitzschnell griff seine Rechte nach Rixendes Haar, um sie näher zu sich
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