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Rixende ... : Historischer Roman (German Edition)

Rixende ... : Historischer Roman (German Edition)

Titel: Rixende ... : Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helene Luise Köppel
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gottesdienstlichen Handlungen. Schweren Herzens ließ der Bischof den entsprechenden Anschlag am Tor der Kathedrale anbringen und verriegelte sie eigenhändig.
    Nikolaus von Abbéville, dem die Überwachung dieser Strafe oblag, triumphierte.
    „Jetzt haben wir die ganze Sippschaft in der Hand“, sagte er sichtlich zufrieden zu seinem Verweser. „Schneller, als ich gedacht habe. Das Ketzernest Carcassonne hat endlich bekommen, was es verdient hat.“
    Doch die ganze Stadt war sich einig, dass dieses Urteil die größte Ungerechtigkeit seit Menschengedenken darstellte, selbst diejenigen, die es mit den parfaits hielten. Denn wie Benete pflegten auch andere Katharer am Sonntag und an hohen Feiertagen, natürlich im besten Gewand, zur Messe zu gehen. Schwierig wurde es für überzeugte Ketzer nur, wenn es um die Heilige Kommunion ging, denn es galt als äußerst verwerflich, bei der Annahme des Sakraments zu heucheln. Das Messwunder beschäftigte aber auch mitunter die guten Katholiken. So erzählte man sich in jenen Jahren eine Geschichte, wie eine Frau, die nicht daran hatte glauben wollen, eines Besseren belehrt wurde. Diese Frau hatte eine Waffel gebacken, die sodann ein Priester als Hostie geweiht hatte. Da hatte die Frau ungläubig gelacht und gemeint, wie denn aus einer von ihr gebackenen Waffel der Leib Christi werden könne. Der Priester hatte um ein Wunder gebetet, das die ungläubige Frau überzeugen würde. Als er ihr daraufhin das Sakrament reichte, fand sich die geweihte Hostie in die Gestalt eines kindlichen Fingers verwandelt, der Wein im Kelch zeigte sich als geronnenes Blut. Katharer taten diese Geschichte natürlich als Märchen ab.

    Elias Patrice, der zwischenzeitlich die Rolle des Sprechers übernommen hatte, berief nach Bekanntwerden des Urteils den Senat ein, und dieses Mal kamen alle. Mit ernsten Gesichtern saßen die Konsuln in ihren Reihen, das sonst übliche Raunen und Tuscheln vor der Eröffnung des Plenums hatte eisigem Schweigen Platz gemacht. Es war düster in der Halle, da – wie die Stimmung - auch der Himmel über Carcassonne seit Tagen verhangen war.
    Petrus von Vaisette trat vor und wetterte:
    „Früher galt Ehrenhaftigkeit vor Besitz. Die Kirche ist jedoch längst nicht mehr die Gemeinschaft der Gläubigen, sie ist eine Papst-, Macht- und Besitzkirche! Das hat sie nun unter Beweis gestellt. Was, frage ich Euch, ehrenwerte Senatoren, was hat unsere Stadt noch zu verlieren? Sollen wir vor Abbéville zu Kreuze kriechen? Nein, Männer von Carcassonne! Lassen wir die Strafe Strafe sein, beten wir zukünftig zu Hause, im stillen Kämmerlein, wie es die Katharer tun, denn ...!“
    „Hervorragend!“ Einer der Jüngeren, ein sonderbarer Kauz, den man hinter seinem Rücken „Samtpfötchen“ nannte, weil er ungewöhnliche Sorgfalt an seine Hände wandte, war aufgesprungen. Nun rief er mit hohngetränkter Stimme und indem er seine schönen Hände demonstrativ zum Gebet faltete: „Beten wir zu Hause! Ei, ei, etwas besseres fällt Euch wohl nicht ein, Petrus, oder? Warum lassen wir uns nicht gleich in aller Öffentlichkeit das Consolamentum der Katharer erteilen und anschließend unseren eigenen Scheiterhaufen errichten! So einfach ist die Sache wohl nicht, meine Herren! Wir sind rechtgläubige Christen, davon gehe ich wenigstens aus, wenn ich in die Runde schaue. Der Papst muss daher gezwungen werden, die Exkommunikation zurückzunehmen, koste es, was es wolle!“
    Nachdem man mehrere Stunden gestritten hatte, beschloss man, Bernhard Délicieux zu bitten, Einsicht in die Bulle des Papstes zu nehmen, um die Bedingungen zu erfahren, die erfüllt werden mussten, um die Strafe wieder aufzuheben.

    Dieses Mal zeigte sich Abbéville zuvorkommend und überreichte dem Lektor tatsächlich Bonifatius’ Urteil.
    Als der Franziskaner ihm das Dokument zurückgegeben hatte, meinte Abbéville lauernd:
    „Ihr werdet doch nicht ernsthaft in Betracht ziehen, Bruder in Christo, beim Heiligen Vater Einspruch einzulegen und damit den Ketzern den Rücken zu stärken?“
    Der Franziskaner schwieg eine Zeitlang. Dann sagte er freundlich: „Nein. Wie könnt Ihr so etwas von mir denken? Die Ketzerei ist mir ebenso ein Gräuel wie Euch selbst. Nur darf die Jagd auf die Katharer und Waldenser nicht zur Besessenheit ausarten; es sind Menschen und keine behaarten Teufel, nicht wahr - und ein zweites“, Délicieux sah Abbéville nun tief in die Augen, ja er erzwang geradezu seinen Blick, „der Heilige Vater

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