Riyala - Tochter der Edelsteinwelt 1: Kristallmagie: Fantasy (German Edition)
vertrauensvoll auf seine Herrin gerichtet. Sein scharfer, gebogener Schnabel öffnete und schloss sich.
Nun begann er sich zu regen und sogar schwach mit beiden Flügeln zu schlagen. Ja, wahrhaftig – er flatterte schon wieder; aus alter Gewohnheit suchten seine gelben Krallen Halt an Riyalas Arm. Da sie ja keinen Lederschutz trug, fühlte sie sogleich einen scharfen Schmerz, als die Vogelklauen sich in ihre Haut gruben, doch sie lachte nur vor lauter Glück. Tränen liefen ihr über die Wangen. Sie hob ihren Arm, um sich das Wunder aus der Nähe anzusehen, und der Raubvogel drückte ganz kurz und zärtlich seinen gefährlichen Schnabel gegen ihre Wange.
Dann drehte sie sich strahlend zu dem Magister um – auch er lächelte mit echter Wärme und großer Zufriedenheit.
Riyalas Falke war niemals ein „Handhocker“ gewesen; auch jetzt, kaum dass er geheilt war, zog es ihn wieder fort. Er schrie seinen hellen, scharfen Falkenruf und stieß sich stolz vom Arm seiner Herrin ab. Ein wenig Blut rann über ihr Handgelenk, doch abermals achtete sie gar nicht darauf. Ihr Falke flog – er war wieder vollkommen gesund! Sie legte den Kopf in den Nacken und sah ihm nach, wie er durch die Kuppel der Höhle kreiste, immer höher stieg und schließlich durch die runde Öffnung hoch oben verschwand.
Riyalas türkisblaue Augen waren noch immer feucht.
„War das wirklich ich?“, flüsterte sie ergriffen.
„Du und deine höhere Kraft“, antwortete der Magister von der Herdstelle her, wo er mit Töpfen und Bechern zu hantieren begann.
„Komm her, Riyala Falken, und erquicke dich. Du fühlst eine leichte Mattigkeit, stimmt das? – Du solltest dich jetzt stärken.“
Er hatte in der Tat recht. Erst jetzt merkte das Mädchen, wie hungrig sie war. Ihr betagter Gastgeber, der ihr nach wie vor ein wandelndes Rätsel war, servierte ihr heißen, kräftigen Tee und einfache Fladenkuchen. Beides schmeckte köstlich. Riyala verzehrte die Mahlzeit voller Genuss.
Nach einer Weile blickte der Magister zuerst auf ihren blutenden Arm, dann auf das Kästchen in ihrem Schoß und meinte mahnend: „Versorge auch dich selbst. Ein Heiler darf sich niemals vernachlässigen.“
Es lag ihr schon auf der Zunge, wegwerfend zu sagen: „Das sind doch nur ein paar Kratzer“, doch dann besann sie sich und griff gehorsam nach den magischen Steinen. Ihre eigenen Bewegungen und das halb glatte, halb raue Gefühl auf der Haut, als sich ihre Finger um die Kristalle schlossen – all das war ihr bereits vertraut. Dieses Erlebnis war wirklich eigenartig – ja, sie brauchte nichts Neues zu lernen, sie musste sich nur
erinnern
.
„Habt Ihr meinen Falken draußen gefunden?“, fragte Riyala.
„Nein. Er taumelte genau durch das Himmelsloch da oben und fiel wie ein Stein zu Boden“, lautete die Antwort des Magisters.
Sie schwiegen eine Weile. Nur das leise Knistern der Glut im Herdfeuer war zu hören. Von der Welt außerhalb des ausgehöhlten Monolithen drang kein Laut in diese stille Welt der Edelsteine.
Aber auf einmal seufzte Riyala tief auf. Die prekäre Situation, in der sie sich befand, drängte alles andere zurück, und sie war nahe daran, wieder in Selbstmitleid zu verfallen.
„Erzähle mir, was dich bedrückt“, sagte der alte Mann mit ruhiger Stimme.
Riyala zögerte einen Moment, doch dann berichtete sie ihm stockend von ihrem verbotenen Ausflug, wobei sie jedoch ein paar entscheidende Stellen wegließ oder beschönigte – in ihrer Version der Geschichte hatte das Gauklermädchen Sandirilia vollkommen freiwillig mit ihr die Kleider getauscht und sie in das Geheimnis des Tunnels eingeweiht. Den gutaussehenden Bauernsohn Nigel erwähnte sie überhaupt nicht.
Der Magister hörte ihr zu, ohne etwas zu sagen.
„Doch es ist seltsam“, schloss Riyala, „als ich Euch traf, schien all das nicht mehr so wichtig zu sein, auch der Zorn und die Sorge meiner Eltern nicht ... Es wird sich schon lösen, dachte ich. Und im Grunde denke ich das auch jetzt noch.“
„Und genau deshalb konnte ich eingreifen und deinen Eltern eine Botschaft übermitteln lassen“, bemerkte der
Kristallhexer.
Riyala schaute überrascht hoch. „Das habt Ihr tatsächlich getan?“
„Ja, das habe ich. Mir stehen verschiedene Helfer und Methoden zur Verfügung, weißt du“, sagte er geheimnisvoll. „Und da du dein Problem losgelassen hattest, bot sich mir die Möglichkeit, dir zu helfen. Es war Freiraum genug da, verstehst du? Eine Art Gedanken-Raum. Wer sich
Weitere Kostenlose Bücher