Road of no Return
und du bist kein schlechter Kerl, stimmt’s?«
»Ja, klar doch«, echote ich.
Sein Gesicht verdüsterte sich wieder. »Das ist ganz und gar nicht clever. Das ist saudumm. Hör auf, dich dümmer zu stellen, als du bist, Geddes.«
»In Ordnung, Sir.« Er hatte es drauf, dass ich mich schämte, und was sollte das überhaupt mit dem ganzen »Sir«? McCluskey gab mir das Gefühl, als sei ich in der Army oder so.
»Vielleicht ist es cool, dumm zu sein, Geddes, aber es ist geradezu phänomenal dumm, nichts anderes als cool sein zu wollen. Warum in Gottes Namen hast du dich überhaupt je mit einem Loser wie Naughton eingelassen?«
Ich warf ihm einen Blick zu, der sagen sollte: Blöde Frage, Sir.
Er blieb weiterhin beherrscht. »Soll ich dich nach Hause bringen?«
»Sie machen wohl Witze«, sagte ich. »Sir.«
Sofortige Todesstrafe für Fraternisieren mit dem Feind, das wusste er. »Wahrscheinlich schon, Geddes, wahrscheinlich schon. Ist wirklich alles in Ordnung? Na ja, selbst wenn nicht, dann kann ich auch nichts ändern. Was werden deine Eltern dazu sagen?«
»Mit denen werde ich fertig, Sir.«
»Verstehe.« Versuchsweise ließ er meinen Arm los, und ich schaffte es, nicht umzufallen.
»Ich werde keine Anzeige erstatten, Sir.«
»Sehr witzig, ha, ha.« Er sah mich ein letztes Mal scharf an. »Ich habe übrigens das von Hugh Middleton gehört. Du bist auf dem Weg der Besserung.«
Einen Augenblick lang hatte ich keinen blassen Schimmer, wovon er sprach. »Oh, Shuggie.«
»Geddes, es ist eigentlich ganz gut, dass du so ein großer hässlicher Schläger bist, der auf sich selbst aufpassen kann. Sonst müsste ich mir Sorgen machen.«
»Genau, ich bin ein großer hässlicher Schläger«, bestätigte ich. »Also machen Sie sich mal keine schlaflosen Nächte meinetwegen.«
»Mach ich nicht.« Er stieg ins Auto, kurbelte das Fenster herunter und warf mir eine weitere Handvoll Taschentücher zu. Als ich den blutgetränkten Klumpen in den Rinnstein warf, schimpfte er nicht mal. »Sag deinen Eltern, sie sollen sich bei mir melden, wenn sie Anzeige erstatten wollen.«
Das war natürlich rein offizieller Quatsch, und das wusste er genauso gut, wie ich wusste, dass meine Tapferkeit nur großes Getue war. Meine Nase blutete so stark, dass ich befürchtete, ich würde verbluten (mittlerweile weiß ich allerdings, wie das wirklich aussieht). Als er verschwunden war, stolperte ich zurück in die verlassene Schule und durch die Schwingtüren in die Toilette, wo ich mich auf ein Waschbecken stützte und zusah, wie mein Blut weggewaschen wurde. Ich blinzelte stark und versuchte, nicht umzukippen.
»Wie du wieder aussiehst«, sagte eine Stimme hinter mir.
Ich konnte nicht anders als fluchen. »’au ab!«, verlangte ich. »’au berdampd ab!«
Unbeeindruckt weichte Shuggie eine Klorolle ein und begann, mein Gesicht sauber zu machen, offenbar ohne in Erwägung zu ziehen, dass ich ihm gerne die Nase brechen würde. Tat ich aber nicht, weil das kalte Wasser so angenehm war: Es beruhigte und kühlte, als ob es durch die Haut direkt in mein Gehirn gelangte. Außerdem war ich sowieso schrecklich müde und hätte fast im Stehen einschlafen können, doch gerade, als mir die Augen zufielen, hüstelte Shuggie und trat zurück, um sein Werk zu begutachten.
Zufrieden nickend spülte er das blutige Papier weg und ich murmelte: »Bielen Dang.«
»Ich danke dir, Nicholas«, erwiderte er.
»’au ab, Chuggie.«
»Das meinst du nicht ernst.«
»Umd mie.«
»Gut, ich verstehe. Aber danke trotzdem.« Er blickte mich direkt und offen an. »Weißt du, wir müssen uns jetzt um einander kümmern. Ich muss mich um dich kümmern und du dich um mich.«
»Den Deubel mudd ich!«
»Natürlich musst du. Du hast sonst keine Freunde mehr.«
»Dang einem bnödn Kerl.«
Er zuckte mit den Achseln. »Keine Ursache. Das war sehr tapfer von dir.«
»Dapper«, knurrte ich, »wie bnöd.«
»Dapper«, wiederholte er, »wie dapper.«
Sein ernstes Gesicht zuckte nicht ein bisschen, daher hatte ich keinen Vorwand, ihn zu schlagen, obwohl ich genau wusste, dass Shuggie sich über mich lustig machte. Heimlich.
Shuggie Middleton lachte mich aus.
Wenn ich mir eingebildet hatte, Shuggie hätte mich auch nur entfernt ordentlich aussehen lassen, machte ich mir etwas vor. Es war wohl sogenannte verzerrte Selbstwahrnehmung, als ich mich im Neonlicht des Toilettenraums im Spiegel betrachtete und meinte, das blaue Auge und die Abschürfung am Wangenknochen
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