Road of no Return
kleiner Junge, der so tut, als hätte er eine Pistole, Zeige- und Mittelfinger als Lauf vorgestreckt. Er zielte damit nicht auf mich, sondern auf das Fenster im oberen Stockwerk unseres Hauses. Er zielte auf das Fenster meiner Eltern, was er wohl nicht wusste, aber ich konnte über seinen Fehler nicht mal lachen.
Er kam mit voller Gewalt zurück.
Seine Hand zuckte vom imaginären Rückstoß, dann brachte er die Finger vor den Mund und blies ein imaginäres Rauchwölkchen fort. Mickey lächelte mich an.
Er tat nichts Billig-dramatisches, wie mit quietschenden Reifen wegzufahren. Er drehte gelassen den Schlüssel im Zündschloss, beschleunigte gemächlich und verschwand.
Damals
11
Aidan war genau im falschen Alter, um meinen kleinen Clint-Eastwood-Auftritt mit Shuggie mitanzusehen. Er war fünfzehn, nur ein Jahr jünger als ich: jung genug, um tollkühn zu sein, alt genug, um tapfer zu sein.
Man sollte nichts Heldenhaftes tun. Auch wenn man selbst dabei nicht zu Schaden kommt, wird es irgendeinen kleinen begeisterten Idioten total beeindrucken. Und ein paar Monate später versucht er dann, deinem nutzlosen Beispiel zu folgen, und wird umgebracht.
Meine überfälligen Prügel bezog ich zwei Wochen nach meinem Seitenwechsel. Sie warteten darauf, dass ich unaufmerksam wurde, was nicht geschah, aber ich dachte mir, ich bringe es lieber hinter mich. Ich war oft genug am anderen Ende des Stiefels gewesen, daher nutzte es kaum etwas, offiziell Beschwerde einzulegen.
Sie warteten bei den Bäumen in der Nähe des Computerladens auf mich, wie ich es vermutet hatte. Es war nur die Hälfte der Gang da. Schön, zu wissen, dass ich so beliebt war. Es dauerte nicht lange, weil einzig Kev wirklich mit ganzem Herzen dabei war – fast fühlte ich mich geschmeichelt.
Das hieß aber nicht, dass sie ihre Stiefel nicht effektiv einsetzten, ein Tritt ist schließlich ein Tritt.
Irgendwann, hoffte ich, würde ein Lehrer in seinem Auto vorbeikommen und beschließen, dass er nicht mit gutem Gewissen einfach weiterfahren konnte, auch wenn nur ich es war.
Man schlägt nicht zurück. Jeder sagt das. Und tatsächlich, es stimmt. Ich rollte mich nur zusammen, da das Wichtigste war, meinen Kopf und meinen Bauch zu schützen, von meinen kostbaren Genitalien ganz zu schweigen. Das gelang mir auch einigermaßen gut, aber man kann nicht alles gleichzeitig beschützen. So bekam ich die gebrochene Nase.
Der Lehrer mit dem Gewissen war zum Glück McCluskey. Er fuhr auf den Gehweg und sprang, dunkelrot vor Zorn, praktisch aus dem Wagen, noch bevor er gebremst hatte. Er durfte zwar niemanden anfassen, damit er nicht verklagt werden konnte, aber sie machten sich trotzdem aus dem Staub. Niemand wollte McCluskey so weit bringen, dass er – oder seine trauernden Eltern – ihn verklagen mussten. Er verfügte über eine natürliche moralische Autorität. Mit anderen Worten: Er jagte allen entsetzliche Angst ein.
Sunil riskierte eine Sekunde und beugte sich zu mir hinunter. »Tut mir leid«, murmelte er und rannte dann den anderen nach.
McCluskey zog mich am Arm hoch und schnauzte mich an, als sei das meine Schuld, was es in gewisser Weise ja auch war.
»Geddes, du blöder kleiner Idiot!« Er durfte so herumbrüllen, weil er sich außerhalb des Schulgeländes befand und
es nach Schulschluss war, das nahm ich zumindest an. Ich würde ihm jedenfalls seine Ausdrucksweise nicht vorhalten. »Wenn ihr dämlichen Volltrottel euch schon gegenseitig umbringen wollt, dann macht das gefälligst da, wo ich nicht über eure Leichen stolpere, klar?«
»Klar, Sir«, murmelte ich, den Mund voller Blut und mit einer Nase, die mir nicht mehr zu gehören schien. In Lautschrift hätten die Worte, die ich herausbrachte, ganz anders ausgesehen. »Verstanden.«
»Was bist du, Geddes?«
»Blöder Idiot, Sir.«
»Blöder kleiner Idiot, und … ?«
»Blöder kleiner Idiot und dämlicher Volltrottel. Sir. «
Seufzend sah er sich mein Gesicht an und packte mich etwas zu fest am Arm, weil ich schwankte. Ich wollte mir nicht die Nase abwischen, weil es aussehen könnte, als ob ich schniefte. Aber aus beiden Nasenlöchern lief ein warmer Blutstrom, deshalb ließ mich McCluskey kurz los, suchte in seinem Auto herum und drückte mir ein paar Taschentücher ins Gesicht. Dann fing er mich gerade noch rechtzeitig wieder auf, bevor ich wieder das Gleichgewicht verlor.
»Alles in Ordnung, Geddes?«
»Ah-ha.«
»Ja, klar doch.« Er seufzte. »Hör zu, Nick. Du bist clever
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