Road of no Return

geküsst«, sagte ich. Na ja, irgendjemandem musste ich es erzählen.
    »Oh toll! Und ich dachte schon, sie würde ganz grässlich zu dir sein.«
    »Na ja, war sie auch«, gab ich zu. »Aber sie hat mich auch geküsst.«
    Allie lachte hinter vorgehaltener Hand. »Du und Orla Mahon. Was wird wohl Aidan dazu sagen?«
    »Aidan«, wiederholte ich. Plötzlich war die schöne Stimmung verflogen. Ich wollte Allies Gefühle nicht verletzen, aber ich wollte nicht, dass Aidan irgendetwas mit Orla und mir zu tun hatte. Ich wollte, dass er sich da raushielt.
    »Weißt du, ich bin jetzt fast so alt wie er. Ich hole auf.«
    Ich war sauer genug, um zu streiten. »Aidan wäre immer noch zwei Jahre älter als du.«
    »Wenn er noch leben würde.« Achselzuckend betrachtete sie das Kopfende meines Bettes.

    »Ja, wenn er noch leben würde.«
    »Tut er aber nicht«, sagte sie. »Er hat innegehalten.«
    »Er hat innegehalten«, wiederholte ich. Komische Ausdrucksweise.
    Allie bemerkte die Ungeduld in meiner Stimme und schüttelte den Kopf. »Vergiss Aidan. Tut mir leid.«
    »Allie?«, fragte ich und kaute an meiner Unterlippe. »Warum muss er bleiben?«
    »Ich weiß nicht.« Allie sah zu Boden. Im Zimmer unter uns brabbelte der Fernseher, das Sofa knarrte und ein Flaschenhals klirrte an ein Weinglas. Schnell blickte sie wieder zu mir auf. »Ich schulde ihm mein Leben.«
    Ich öffnete schon den Mund, machte ihn dann aber wieder zu. Was sollte das denn heißen, ich schulde ihm mein Leben ? Wenn man jemandem etwas schuldete, musste man es ihm dann am Ende nicht geben? Hieß es, dass sie einfach dankbar war? Oder dass sie nicht leben sollte, weil er ihretwegen gestorben war? Ich schulde ihm mein Leben . Sollte das heißen, dass sie ihre Schuld eines Tages begleichen musste? Sie schuldete ihm gar nichts. Diese Geschichte hatte sie sich nur ausgedacht, damit Aidans Tod einen Sinn hatte, dabei war er nur dumm und sinnlos und böse gewesen. Natürlich hatte sie Schuldgefühle, weil sie ihn angerufen hatte, das verstand ich. Deshalb sagte sie sich, dass sie Aidan ihr Leben schuldete. Ich konnte nur hoffen, dass sie ihn nicht nur erschaffen hatte, damit er eines Tages kommen und seine Schulden eintreiben konnte.
    »Sei vorsichtig«, mahnte ich sie.
    Lächelnd küsste sie mich auf die Stirn und sprang dann
vom Bett. Auf dem Weg hinaus steckte sie noch einmal den Kopf zur Tür herein.
    »Okay«, sagte sie. »Ich verspreche es, Nick. Ich verspreche, dass ich vorsichtig bin.«
    Und im Moment musste das wohl ausreichen.

17
    Man hat ja gesehen, was beim letzten Mal passiert ist. Ja, genau.
    Vielleicht war ich es ja, der Aidan sein Leben schuldete. Hätte Allie meine Nummer im Kurzwahlspeicher gehabt, dann hätte ich vielleicht in einer Pfütze meines eigenen Blutes am Boden gezuckt. Ich glaube, der Gedanke war Orla auch gekommen. Daher war es umso erstaunlicher, dass ich ein Jahr später in der muffigen Dunkelheit unseres Kinos saß, ihren Arm warm an meinem spürte, nachdem wir ein wenig um die Armlehne gerangelt hatten. Vielleicht war der Film ja langweilig, ich hatte keine Ahnung, da ich die erste halbe Stunde damit verbrachte, Orlas Gesicht aus dem Augenwinkel zu betrachten. Mir gefiel es, wie die bläulichen Schatten über ihre Haut huschten, wie sich ihre Muskeln zu kleinen Lächeln oder Stirnrunzeln spannten, sogar, als sie gähnende Langeweile ausdrückten. Ich mochte es, wie ihre Finger Popcorn in ihren Mund steckten und sich ihre Lippen beim Kauen öffneten.
    »Guter Film?«, fragte sie nach einer Weile.
    »Ja«, antwortete ich.
    Ihr Mundwinkel zuckte zu einem wissenden Lächeln hoch und sie schubste die Popcorntüte zu mir.

    »Nein, danke.« Ich schubste sie zurück, wobei sie kippte und von der Armlehne fiel und sich das Popcorn wie mattes Gold um ihre Füße ergoss. Noch kauend sah sie mich von der Seite an.
    »Sorry«, sagte ich.
    Auf ihrem Gesicht flackerten die Schatten von der Leinwand, als sie mich mit breitem Grinsen ansah. »Netter Versuch. «
    Na ja, zumindest war ich so das störende Popcorn losgeworden. Ich bückte mich und sammelte die Teile auf, die nicht in direkten Kontakt mit dem Boden gekommen waren. Seit Jahren durfte hier niemand mehr rauchen, warum roch dann der Fußboden wie ein ungespülter Aschenbecher?
    »Vergiss es«, murmelte sie. »Das esse ich nicht mehr.«
    Vor uns rutschte eine Frau auf ihrem Sitz herum und räusperte sich. Das brachte mich zum Schweigen. Einen Augenblick lang hatte ich vergessen, dass wir uns