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Road of no Return

Road of no Return

Titel: Road of no Return Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gillian Philip
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Liebe. Ach Mist!
    Als ich nach Hause kam, war es bereits dunkel. Vor der Tür blieb ich mit zugeschnürter Kehle und klopfendem Herzen stehen und schluckte schwer. Nun ja, dachte ich, ein wenig Sorge ist schon angebracht, schließlich war in letzter Zeit nicht viel Gutes passiert, wenn ich durch diese Tür getreten war. Ich hatte keine düsteren Vorahnungen, ich bereitete mich lediglich psychisch auf das Schweigen vor.
    Tief Luft holend trat ich ein und schloss die Tür hinter mir. Allie kam mir die Treppe hinunter entgegen, aber sie lächelte nicht. Auf der vierten Stufe von unten blieb sie stehen und sah mich an.
    Eigentlich sah sie direkt durch mich hindurch. Ihre Pupillen waren so riesig, schwarz und tief, dass ich innehielt und mich zum x-ten Male wunderte, wie erschreckend sie sein konnte. Vor ein paar Jahrhunderten hätte man sie allein schon für diesen Ausdruck in ihren Augen verbrannt. Demnächst würde ich ihren Kopf nach der Zahl des Teufels absuchen, wenn sie schlief.

    Normalerweise zauberte mir diese Vorstellung ein liebevolles Lächeln ins Gesicht. Aber heute funktionierte es nicht. Allie fasste nach dem Geländer und setzte sich dann abrupt auf die Stufe. In ihren Augen glitzerte es gefährlich feucht.
    »Ich wünschte, er würde nicht bluten«, sagte sie.
    Wieder kroch eine Spinne unter meiner Haut meinen Rücken entlang.
    »Wie bitte?«
    »Manchmal blutet er. Ich wünschte, er würde das nicht tun. Es macht mir Angst.«
    Verlass sie nicht, hatte ich verlangt. Jetzt wünschte ich, er würde es doch tun. »Sprich nicht so, Allie.«
    Sie hob die Hände und schob sich das Haar hinter die Ohren zurück. »Ich glaube, es passiert, wenn er sich aufregt. Und heute Abend hat er sich aufgeregt.«
    »Hör auf!«, schrie ich und warf mit der CD-Tüte nach ihr. Sie zuckte erschrocken zusammen, als die Tüte vom Boden abprallte. »Hör auf!«
    Sie blinzelte und es schien, als sehe sie mich zum ersten Mal.
    »Oh Nick«, stieß sie hervor. »Nick, ich muss dir etwas ganz Schreckliches erzählen.«
     
    »Warum hast du es mir nicht gesagt?«, wollte ich wissen.
    Mum sah auf. Ich fand sie wie erwartet in ihrem sogenannten Büro, das eigentlich nur ein Winkel unter der Treppe war, in dem ein paar Systemmöbel von Ikea wie Puzzleteile zu einem Arbeitsplatz zusammengefügt worden
waren. Sie hatte sich das Telefon ans Ohr geklemmt, und eine Hand lag leicht auf der Tastatur ihres Laptops. Jetzt hob sie sie und reckte den Zeigefinger, um mir zu bedeuten, dass ich warten sollte. Ihre Lippen bewegten sich immer noch, während sie in den Hörer sprach, aber über das heftige Rauschen in meinem Kopf konnte ich ihre Worte nicht verstehen.
    »WARUM HAST DU ES MIR NICHT GESAGT?«, schrie ich.
    Schweigen. Das Telefon glitt von Mums Ohr. Ich konnte das fragende Gemurmel am anderen Ende hören, aber Mum starrte mich nur an, ohne zu antworten. Dann schien sie sich zu besinnen und stieß hervor: »Ich rufe zurück. «
    Sie steckte das Telefon wieder in die Ladestation.
    »Nick«, begann sie, aber obwohl sich ihre Lippen bewegten, schaffte sie es nicht, es laut zu sagen.
    »Du hast mir nichts davon gesagt«, fuhr ich etwas ruhiger fort.
    »Ich wusste nicht, wie.«
    »Du hättest dir etwas einfallen lassen sollen.« Wieder stieg Bitterkeit in mir auf.
    »Du musst es doch gewusst haben«, verteidigte sie sich. »Du musst doch gewusst haben, dass wir darüber nachgedacht haben. Wir haben darüber gesprochen.«
    Ich starrte sie nur an und sie senkte den Blick. Dann sah sie mich wieder an.
    »Es ging alles sehr schnell, Nick. Im Heim ist ein Platz frei geworden.«
    »Du meinst, da ist einer abgekratzt.«

    »Es ist ein Platz frei geworden«, wiederholte sie, »und da mussten wir eine Entscheidung treffen.«
    »Heute Nachmittag«, vermutete ich sarkastisch.
    »Nein, nicht heute Nachmittag. Ende letzter Woche. Bist du diese Woche ansprechbar gewesen, Nick?«
    »Das ist nicht meine Schuld!«
    »Dein Vater hätte an jenem Abend nicht solche Dinge zu dir sagen sollen, aber wie hätte er sich denn entschuldigen können? Du bist die ganze Woche unterwegs gewesen, Nick. Du warst nie da. Du bist nicht zum Frühstück gekommen, du bist nicht zum Abendessen gekommen. Wie sollten wir da mit dir reden? Wie sollte dein Vater mit dir reden?«
    Ich schob die Hand in die Tasche, holte mein Handy hervor und wedelte ihr damit vor dem Gesicht herum. Dann warf ich es auf den Laminatfußboden, wo es scheppernd auseinanderbrach und die beiden Hälften des

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