Road of no Return

zu meinem Biokurs. Ich dachte nicht an Lola Nan, sondern an die Universität und die Bewerbungen und ob Naturwissenschaften überhaupt mein Ding waren. Ich hatte bereits genügend Qualifikationen für meine zweite Wahl und wäre bestimmt früher abgegangen, wenn ich nicht noch ein Jahr lang auf Allie hätte aufpassen wollen. Und weil ich Angst hatte, dass, sobald ich zur Uni ging, Lola Nan die Gelegenheit ergreifen und sterben würde …
    Abrupt blieb ich stehen. Hinter mir fluchte jemand, der fast in mich hineingerannt wäre, und ich bekam einen absichtlichen Stoß mit dem Arm, als er an mir vorbeilief.

    »Jetzt geh schon, verdammt«, grollte jemand anderes hinter mir.
    Normalerweise hätte ich mich umgedreht und ihm meine Robert-de-Niro -Vorstellung geliefert. Redest du mit mir? Aber ich stand nur wie angewurzelt da und spürte den Schmerz in der Brust. Panisch sah ich mich um.
    McCluskeys Büro. Wie kam es nur, dass ich immer dort landete? Der große Wartesaal meines Lebens. Mir war klar, dass ich mich, wenn ich tot war und bei den himmlischen Bürokraten einchecken musste, wahrscheinlich vor McCluskeys Büro wiederfinden würde.
    Ach was. Wenn man starb, dann starb man. Man wurde zu Dreck und Verwesung und dann zu Staub. Und dann gar nichts. Nicht einmal ein Geist oder eine Erinnerung blieb, und vielleicht waren die sogar schon weg, wenn unsere Lungen noch atmeten, das Herz noch schlug und das Blut entschlossen, aber sinnlos, immer im Kreis durch unsere Adern floss.
    Nein, mit den Naturwissenschaften hatte ich es offensichtlich wirklich nicht, dachte ich, als ich heftig an McCluskeys Tür klopfte und ohne eine Antwort abzuwarten eintrat, die Tür zuknallte und mich bemühte, mich nicht dagegenzulehnen.
    McCluskey sah auf, ebenso wie der Junge aus der sechsten Klasse, den er gerade herunterputzte. Im entstehenden Schweigen starrte ich auf das offene Fenster hinter McCluskeys rechtem Ohr.
    McCluskey stand auf, griff hinter mich, um die Tür wieder aufzureißen, und wies den zitternden Jungen mit einer Kopfbewegung
an zu gehen. »Mach das nie wieder oder du bist tot!« Er knallte die Tür hinter ihm zu und setzte sich wieder. »Und, Geddes, was gibt es?«
    Ich blinzelte. Die Zweige einer arg malträtierten Birke vor dem Fenster filterten das Sonnenlicht, aber zu dieser Nachmittagsstunde war es noch so hell, dass McCluskey das Rollo halb heruntergelassen hatte und das Licht in stumpf goldenen Streifen über seinen Tisch fiel. Er griff hinter sich und schloss das Rollo ein wenig mehr, sodass das Licht jetzt den vom Stadtrat herausgegebenen Kalender traf. September. Loch Lomond. Und seine schönen Ufer.
    »Ich habe ein Problem, Sir.«
    »Ich auch. Es heißt Geddes. Was ist deins?«
    »Ich bin nicht unsterblich.« Ich starrte Loch Lomond an.
    »Sehr schön. War das schon in den Nachrichten?« Er zuckte mit dem Daumen, was wohl so eine Art Einladung sein sollte. Ich ließ mich auf den kleinen senffarbenen Sessel fallen.
    »Sie haben sie in ein Heim gesteckt«, erklärte ich.
    Er wirbelte den Stift zwischen seinen Fingern herum und kritzelte auf einem Blatt. »Es geht um deine Großmutter?«
    »Ja.«
    »Das ist eine Schande. Wie geht es deiner Schwester?«, fragte er. Kritzeln.
    »Die ist verrückt.«
    »Na ja«, meinte er. »Das ist für alle Beteiligten ein wenig unangenehm, nicht wahr?«
    »Das müssen Sie mir nicht sagen.« Finster sah ich die schönen Ufer an.

    »Deine Eltern müssen im Moment ziemlich unter Druck stehen.«
    »Oh ja«, erwiderte ich bitter. »Oh ja.«
    »Und du natürlich auch.«
    Irgendetwas Scharfes, Unförmiges in meiner Kehle hinderte mich am Schlucken. Ich dachte an Lola Nan. Vorher und nachher.
    »Ich …«, begann ich, »… ich … irgendwie … ich will sie nicht mehr sehen.«
    Kritzel, kritzel. Er hob eine Augenbraue.
    »Deine Großmutter, nehme ich an, nicht deine Schwester.«
    »Hm-hm.«
    »War ein Witz, Geddes.«
    »Ich will sie nicht besuchen«, sagte ich und biss mir auf die Lippe. »Vielleicht … ich glaube, vielleicht ist es besser, wenn sie jetzt stirbt.«
    »Ah-ha. Verständlich.«
    »Wollen Sie mich verar … Wollen Sie mich auf den Arm nehmen, Sir?«
    »Nein. Du solltest einsehen, dass du nicht Gott bist, Geddes. «
    »Ich dachte, das sei Ihre Wahnvorstellung, Sir.«
    »Ha, ha.«
    »Ich versuche doch gar nicht, Gott zu spielen«, fuhr ich fort. »Ich will ihr kein Kissen aufs Gesicht drücken oder so.« Ich wurde rot, weil mir der Gedanke schon flüchtig gekommen war.
    »Das