ROAD TRIP // Die erfolgloseste Band der Welt geht auf Tour (German Edition)
Proberaum,
umringt von Müll und leeren Pfandflaschen und ich hatte das Gefühl, dass wir einen kleinen Schritt in die große Welt des Rock‘n‘Rolls taten.
Hier, in unserem kleinen ganz persönlichen Universum begann etwas,
dass uns von all den Dorfnasen da draußen unterschied. Wir würden in
die Welt ziehen. Mit Instrumenten. Wer weiß ob wir überhaupt wieder
kommen. Wie wir wieder kommen. Mit was für Erfahrungen wir wieder
kommen. Mit welchen Kontakten. Alles war möglich da draußen. Und
wir waren die ersten hier, die sich hinauswagten. Zusammen mit
unserer Musik. Und wir waren nicht allein. Wir waren eine Gemeinschaft,
eine Gruppe. Eine Band.
Ich ahnte ja nicht, was mir bevorstand. 14. Zwei Wochen in Utero
Es war seltsam. Die Zeit war wie im Flug vergangen und hatte sich doch
unendlich gezogen. Der Alltag wurde gleichzeitig noch unerträglicher
als sonst, weil er zwischen mir und diesem großen unbekannten Etwas
stand, dass mir nachts keine Ruhe mehr ließ, und auf der anderen Seite
doch viel erträglicher, weil ich wusste, dass ich etwas gegen ihn in der
Hand hatte. Du kannst mich mal, Alltag! Heute magst du mich in der
Hand haben und morgen noch niederkämpfen, aber bald kommen
Tage, an denen du keine Macht über mich haben wirst. Du wirst
verzweifelt die Arme nach mir ausstrecken, doch ich werde so weit von
dir entfernt sein, dass du mich nicht ein mal mehr siehst. Du kannst
schreien und wüten, für mich wirst du nur eine dunkle Erinnerung sein.
Alltag, you shall not pass.
In meiner Vorstellung zucken immer wieder undefinierte Bilder auf. Ein
heißer, lauter Club. In einer Ecke eine kleine, schmierige Bühne. Ich
glaube, dass viele Leute da sind, ich weiß es aber nicht genau. Alles
sehen, fühlen und schmecken wird übertönt von einer berauschenden
Lautstärke, die alles und jeden im Raum durchzogen hat und mich voll
gefangen hält. Ich liege mit meiner Gitarre auf dem Rücken und suhle mich auf dem vom vielen verschütteten Bier komplett nassen
Bühnenboden. Es ist mir egal. Ich bin sowieso schweißgetränkt. Alles ist
nass und heiß und stickig. Die Luftfeuchtigkeit ist atemberaubend und
es tropft von der Decke. Ich drücke meine Hüfte nach oben durch, wie
ich es so bei so vielen Rockstars im Fernsehen gesehen habe und spiele
ein unglaubliches Gitarrensolo. Vollkommen intuitiv. Aus dem Bauch
heraus. So etwas kann man nicht einstudieren, so etwas fühlt man.
Vereinzelt fallen Leute auf die niedrige Bühne und auf mich drauf. Es
muss wohl doch ziemlich voll sein, sie werden von hinten gedrückt.
Meine Ekstase hat den kompletten Raum erfasst und die, die hinten
stehen, wollen auch daran teil haben. Mir ist das alles egal, ich kriege es
kaum mit. Ich habe die Augen fest zugedrückt und fühle jeden
einzelnen verzerrten Ton, den ich spiele, mit jeder einzelnen Zelle
meines Körpers. Die Zuschauer sind begeistert. Sie spüren, dass ich
nicht wegen ihnen hier bin oder wegen dem Geld. Ich bin hier wegen
der Musik, sie ist das einzige, was mich am Leben hält. Wer nicht dabei
gewesen ist, versteht das nicht. Als Soundtrack für diese
Traumvorstellung, die mich in den zwei Wochen des Wartens auf die
Tour begleitet wie das Versprechen auf die Erlösung vom Alltag, spielt mein Kopf keinen Song von meiner eigenen Band ab. Es ist auch kein
spezieller Song, der diese Vorstellung unterlegt. Es ist irgendetwas
lautes, ungestümes und chaotisches. Ich bin mir nicht sicher, ob
jemand singt. Ich glaube ab und zu schreit jemand ins Mikrofon. Ein
wehleidiges Kreischen, das aus dem Bauch heraus kommt und keinen
Umweg über das Gehirn macht, das doch nur rationale Einwände gegen
den Sinn dieser Geräusche haben würde. Wenn Hollywood meinen
Traum verfilmen würde, wäre es wahrscheinlich irgendein Lied von
Nirvana. Aber aus der Phase, in der Cobain den Mainstream schon zu
hassen gelernt hatte. Vielleicht etwas von ’In Utero’. Und so ähnlich
fühlt sich dieser Traum auch an. Wie in der Gebärmutter. Man hat keine
Ahnung, was um einen herum passiert und keine Vorstellung von
gestern oder morgen. Man weiß nur, dass es sich gut anfühlt und man
glaubt vergebens, dass es nie aufhören würde. 15. Prinz ohne Schlafsack
Die Hupe hatte Benni schon angekündigt bevor er bei mir klingeln
konnte:
„Na, Fettsack!“
„Halt die Fresse, Mark.“
Wir schlagen ein und umarmen uns. Irgendwann hatten wir
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