Rob - Toedliche Wildnis
ihn, drückte zweimal ab und traf. Rob spürte die Einschläge, jedoch keine Schmerzen. Sein Schwung reichte. Er prallte mit Crock und Kalil zusammen, und gemeinsam gingen sie zu Boden. Rob wollte aufstehen, sich auf ihn werfen, ihn unten halten, aber sein Körper gehorchte ihm nicht mehr. Das Atmen wurde endgültig unmöglich, und die Wirklichkeit entfernte sich mit rasender Geschwindigkeit. Er fiel in einen Strudel, aus dem es kein Entrinnen kam. Aber eine Frage musste er noch klären. Die letzte Granate … »Cat?«
»Ich bin hier, Rob. Du verdammter Idiot. Wieso konntest du nicht warten?«
Etwas Feuchtes tropfte auf sein Gesicht. Wie von einem Anker wurde sein Fall gestoppt. »Kalil …«, brachte er hervor. Der Afghane wäre tot gewesen, wenn er nicht … Er wollte sich verteidigen, scheiterte aber daran, einen Satz zu formulieren. Bunte Farben explodierten vor seinen Augen, dann wurde es schlagartig schwarz um ihn. Er wollte sie bitten, ihn nicht zu verlassen, bekam aber keinen Laut über die Lippen. Oder vielleicht doch? Er hörte ihre Stimme, verstand aber den Sinn ihrer Worte nicht. Ihr gequälter Aufschrei war das Letzte, das er bewusst wahrnahm.
31
Cat sehnte sich verzweifelt nach Bewegung, aber sie brachte es einfach nicht fertig, den unbequemen Stuhl neben Robs Bett zu verlassen, um wenigstens einmal den Flur entlangzulaufen. Alles, was sie tun konnte, war das, was sie seit unzähligen Stunden tat. Verzweifelt darauf zu warten, dass Robs Zustand sich besserte. Die Angst um ihn und die Vorwürfe, die sie sich machte, brachten sie langsam, aber sicher um den Verstand. Selbst ihr eigener Überlebensinstinkt war auf ein Minimum zurückgefahren. Wenn einer von Robs Brüdern sie nicht regelmäßig zwingen würde, etwas zu essen oder zu trinken, wäre sie vielleicht schon selbst in einem Krankenbett gelandet.
Luc hatte sie auch dazu gebracht, an einem inoffiziellen Debriefing, der Abschlussbesprechung, teilzunehmen. Sowohl er als auch Murat hatten eindeutig festgestellt, dass sie keine Schuld traf, aber sie wusste es besser. Damals, im Irak, waren die Vorwürfe ungerechtfertigt gewesen. Dieses Mal war es anders. Sie hatte eine falsche Entscheidung getroffen, die Prioritäten falsch gesetzt, und sofern nicht noch ein Wunder geschah, würde Rob deswegen sterben.
Sie rieb sich mit der Hand über die Stirn und wünschte sich, die Zeit zurückdrehen zu können. Sie hatten versucht, näher an Crock heranzukommen, und dabei ihre Deckung aufgegeben. Die nächste Granate war dann entschieden zu dicht bei ihnen gelandet. Murat hatte Cat noch mit einem heftigen Stoß in Sicherheit befördert, war aber selbst durch die Wucht der Explosion gegen eine Palette geschleudert worden. Er hatte nur für wenige Sekunden das Bewusstsein verloren und danach als Erstes nach Crock gefragt. Nachdem sie sich davon überzeugt hatte, dass sein Puls regelmäßig schlug, hätte sie sich sofort um Kalil und Rob kümmern müssen, und das hatte sie nicht getan, sondern stattdessen Murats vergleichsweise ungefährliche Platzwunde versorgt. Nur deshalb war Rob gezwungen gewesen, Crock anzugreifen, um Kalil zu retten. Ihm musste klar gewesen sein, dass er keine realistische Chance hatte, aber es passte zu ihm, dass er nicht tatenlos zusehen konnte, wie Crock Kalil tötete. Mit seinen Selbstvorwürfen übertraf der junge Afghane Cat noch fast, aber nur fast.
Zum ersten Mal in ihrem Leben hatte sie einen Mann getroffen, der Gefühle in ihr auslöste, die ihr bis dahin unbekannt gewesen waren, und durch ihre Schuld würde er sterben. Der Gedanke war unerträglich und löste heftigere Schmerzen in ihr aus, als sie sie jemals verspürt hatte. Wenn sie die Gelegenheit bekäme, mit ihm zu tauschen, würde sie es sofort tun. Er hatte so vieles, für das es sich zu leben lohnte. Seine Familie, seine Freunde, seine Fähigkeiten. Sie würde höchstens von Ted, ihrem Vorgesetzter, einigen Kollegen und vielleicht noch ihren Nachbarn eine kurze Zeit vermisst werden.
Die Tür des Zimmers öffnete sich. Sie brauchte sich nicht umzudrehen, um zu wissen, wer es war. Jeden Nachmittag um drei kam Robs Mutter für eine halbe Stunde, genauso wie jeden Vormittag und jeden Abend. Vermutlich hätte sie viel mehr Zeit bei ihrem Sohn verbracht, aber auf eine sonderbare Art akzeptierte jeder, dass es Cats Vorrecht war, hier zu sein. Die unerwartete Rücksichtsnahme vergrößerte nur noch ihre eigene Schuld.
Marie drückte die Hand ihres Sohnes und legte Cat zur
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