Robbers: Thriller (German Edition)
lugte, sah er drei Meter entfernt einen Mann im Arbeitsoverall auf der Veranda stehen; er blickte in die entgegengesetzte Richtung, in der einen Hand ein Jagdgewehr, und in der anderen ein kleines Buch. Offensichtlich eine Bibel. Ein Wanderprediger, der vorbeischaute, um in einem gefährlichen Viertel der Stadt an der Haustür seine Botschaft loszuwerden. Ray Bob konnte es nicht fassen.
Er legte auf ihn an und trat aus seinem Versteck, gerade als sich der Prediger zu ihm umdrehte; sein graues Gesicht wirkte besessen und verzweifelt, wie das eines Propheten aus dem Alten Testament. Der Mann schien ihn außerdem sofort wiederzuerkennen, was Ray Bob nicht begriff, denn er war diesem alten Knacker nie zuvor begegnet. Auch wenn er das Feuer Jehovas im wilden Blick des Mannes bemerkte, als dieser mit einer Hand die Bibel in die Höhe reckte und lauthals intonierte: »Mein ist die Rache, spri -«
Ray Bob drückte ab, und mit einem lauten Knall entlud sich die Schrotflinte. Die Stimme verstummte. Der Mann taumelte zurück, das wettergegerbte Gesicht verzerrt vor ungläubiger Verzweiflung, während er auf den roten Fleck hinabstarrte, der sich auf seinem Overall ausbreitete. Ray Bob lud erneut durch. Der Mann ging in die Knie und versuchte mit einem Arm das Gewehr hochzureißen, ein offenbar schmerzhaftes Unterfangen, denn die hageren Gesichtszüge schienen ganz konzentriert auf diesen einen letzten Willensakt. Ray Bob feuerte einen weiteren Schuss ab. Was für ein Glück, dass ihm die Schrotflinte in die Hände gefallen war, auch wenn sie kaum streute. Es musste sich um groben Schrot handeln. Und ihm fiel ein, dass er mit langläufigen Gewehren immer besser getroffen hatte, damit konnte man leichter zielen.
Durch die Wucht des zweiten Schusses wurde der Mann nach hinten geschleudert, sodass er der Länge nach auf der Veranda landete. Reglos lag er da. Ray Bob trat über die ausgestreckten Beine hinweg in die Hütte. Der Welpe war in einer Ecke hinter einem Stück Blech in Deckung gegangen und zitterte. Ray Bob hob ihn auf und drückte ihn an sich. »Bist du bereit für eine kleine Reise, Partner? Wir müssen los.«
Er durfte jetzt keine Zeit mehr verlieren. Die doppelspurige Fahrbahn, die aus der Flussniederung herausführte, war an den flachen Stellen wahrscheinlich überflutet und bestand jetzt nur noch aus Schlammlöchern und Morast; mit dem Caddy war das auf keinen Fall zu schaffen, er hatte zu wenig PS. Der Abschleppwagen mit seiner kleineren Übersetzung und den zwei Achsen schien zwar die bessere Wahl, fiel auf der Straße aber zu sehr auf. Darum entschied er sich für den Dodge Pick-up; erst im letzten Moment fiel ihm ein, dass er vergessen hatte, die Taschen des Rangers zu durchsuchen. Die verdammten Schlüssel waren noch draußen im Sumpf. Wahrscheinlich hatte er dort auch ein paar Geldscheine liegen gelassen, wo er doch so knapp bei Kasse war, er hatte nur noch einen Zehner. Aber er hatte Glück, im Fußbereich stieß er zusammen mit den Schlüsseln auf etwas Kleingeld.
Im strömenden Regen fuhr er den Abschleppwagen zur Seite, entfernte mit einem Schraubenzieher das Nummernschild und tauschte es gegen das am Pick-up aus, so wie er es schon zweimal beim Caddy getan hatte, nachdem er ihn vom Parkplatz eines Wal-Mart in Dallas geklaut hatte. Dann lief er zur Hütte zurück und durchwühlte die Taschen des Predigers; dabei stieß er auf fast zweihundert Dollar in bar. Anschließend warf er noch einen Blick auf dessen Ausweis. Er hatte weder von ihm gehört noch ihn je getroffen, er hatte keine Ahnung, woher er kam oder was ihn hierhergeführt hatte. Die Welt war einfach voller Verrückter.
In der Hütte legte er seine trockene Jeans und das einzige noch trockene T-Shirt auf die Seite. Dann rollte er den Schlafsack zusammen und trug ihn mit der Propangaslampe, der Dose Brennstoff, den Lebensmitteln und dem restlichen Bier zum Pick-up. Er kehrte noch einmal zurück, um die Remington zu holen, und als er auf die Veranda trat, hob er das Gewehr des Predigers auf und blieb einen Moment dort stehen, während er es verwundert betrachtete. Es war eine großkalibrige Waffe für.460 Weatherby Munition mit Zielfernrohr, ein teures Gewehr. Er verfrachtete es zusammen mit der Schrotflinte in den Truck, lief zum Abschleppwagen und riss die Fußmatte heraus. Darunter kam eine.357 Sig Sauer zum Vorschein. Die warf er ebenfalls in den Pick-up. Dann zog er den Dienst-Colt des Rangers aus der Hose und deponierte ihn auf dem
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