Robbers: Thriller (German Edition)
verhärmt. Sie trug einen langen Bademantel, den sie am Hals mit zittriger Hand zusammenhielt. Die Augen zu Schlitzen verengt wie ein Scharfschütze, starrte die Frau den Caddy an. Ihr kurz geschnittenes Haar war in einem Ton nahe an Kadmiumgelb gefärbt.
»Na, wenn das keine Perücke ist«, sagte Eddie.
»Wo?«
»Da drüben. Auf Dellas Mama.«
»Für mich wirkt das echt«, sagte Ray Bob. »Hässliche alte Hexe.«
»Darauf kannst du wetten.«
»Ein einziger müder Haufen Scheiße.«
»Sie nimmt ihr Eisen nicht.«
»Was hat das mit den Reispreisen in China zu tun?«
Eddie zuckte die Schultern. Er schnippte die Asche seiner Zigarette in den Straßengraben. »Keine Ahnung, jedenfalls ist es eine Perücke.«
»Blödsinn«, beharrte Ray Bob. »Fünf Scheine, dass es echte Haare sind.«
»Einverstanden.«
Die Frau hörte auf, sie anzustarren, und zog den Kopf wie eine Schildkröte ins Innere des Hauses zurück. Della und die Kinder folgten ihr. Im nächsten Augenblick öffnete sich die Fliegengittertür wieder. Della winkte. »Ich bin gleich zurück.«
Eddie lächelte und winkte zurück.
Ray Bob legte den Arm über die Fahrertür und zündete sich eine Zigarette an. Er musterte Eddie, dann blickte er die Straße hinunter. »Scheiße«, sagte er. »Dass du dich von einer Möse hast einwickeln lassen. Muss ja richtig gut gewesen sein, Kumpel.«
Als Eddie nicht reagierte, fragte er: »Wie war’s denn?«
»Ganz gut.«
»Besser als’ne Kuh?«
»Ich hab noch nie’ne Kuh gefickt«, sagte Eddie.
»Gestern hast du was anderes behauptet.«
»Nein, ich hab gefragt, ob du es schon mal getan hast.«
Ray Bob runzelte die Stirn und versuchte sich zu erinnern.
»Dein Problem ist, dass du nicht richtig zuhörst«, sagte Eddie. »Und am Ende erschießt du Leute.«
Della trat heraus auf die Veranda, stieg seitlich die Treppe herunter und bewegte sich dann schnell, aber vorsichtig durch den Vorgarten, bemüht, den schlammigen Behausungen von Flusskrebsen auszuweichen. Die roten Stilettoabsätze versanken immer wieder im Boden. Um die Balance nicht zu verlieren, hielt sie die Arme ausgestreckt. Als sie den Graben erreicht hatte, schob sie die Sonnenbrille hoch und fragte mit verzweifeltem Augenrollen: »Habt ihr zehn Dollar? Meine Mama hat kein Geld mehr, um den Kindern was zum Essen zu kaufen.«
Eddie griff unter seinen Sitz und zog die Plastiktüte heraus. Er tastete darin herum und förderte schließlich eine Rolle Zehner und drei Rollen Fünfer zutage. Er warf sie ihr einzeln über den Graben zu – dünne, steinharte Zylinder, die sich im Weltraum um die eigene Achse drehten, Odyssee der Münzrollen.
»Das sind elf.«
»Danke, Eddie.« Sie lächelte ihn an, drehte sich um, machte einen Schritt und sank auf einer Seite ein. »Verdammt noch mal.«
Dann zog sie die Schuhe aus und ging weiter. »Haut jetzt bloß nicht ab. Ich bin gleich zurück.«
Sie schauten ihr nach, wie sie mit einem Schuh in jeder Hand zurück ins Haus ging.
»Beschwer dich jetzt bloß nicht«, sagte Eddie. »Das Geld war von meinem Anteil.«
»Mösenknecht.«
»Besser als’ne Wassermelone.«
»Fick dich.«
»Steck ihn doch quer rein.«
»Steck ihn rein und wieder raus.«
Eddie wollte schon sagen »im Mund deiner Mutter«, entschied sich aber lieber dagegen. Stattdessen erklärte er: »Falls du es noch nicht bemerkt hast, so langsam geht uns das Geld aus.«
»Darum kümmern wir uns.« Ray Bob klopfte gegen die Benzinanzeige. »Und wenn wir schon dabei sind, besorgen wir uns gleich ein bisschen preiswertes Benzin.«
»Ich nicht.«
»Entweder du bist drinnen oder draußen, Kumpel. Dazwischen gibt’s nichts.«
In diesem Moment erschien Della auf der Veranda. Mit den Schuhen in der Hand trippelte sie durch das Unkraut des Vorgartens und sprang hinter dem Caddy über den Graben. Sie kletterte auf den Rücksitz. Eddie sagte, sie könne auch vorne sitzen, doch sie meinte, es würde ihr nichts ausmachen, und vorne sei es ihr sowieso zu voll. Jetzt tauchten auch die Kinder auf und schauten ihr nach. Beide lutschten an ihren Daumen. Della winkte und rief ihnen zu, sie sollten hineingehen. Sie bewegten sich kein Stück. »Geht sofort rein!«, brüllte sie. Ray Bob ließ den Wagen an und fuhr los.
In der Mitte des Blocks drehte Eddie sich um und blickte zurück. Die beiden Kinder standen immer noch auf der Veranda und starrten ihnen hinterher, die Hände an den Mündern. Traurig blickende rotznasige Mannequins für einen Werbespot des
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