Robert Enke
Barça
statt Alavés.
Robert Enke ging davon aus, dass der Vizepräsident ihm einen Vertrag für die nächste Saison anbieten wollte. Alavés spielte
mittlerweile auch in der Zweiten Liga, aber mit etwas Glück konnte es am letzten Spieltag noch aufsteigen. Er versuchte sich
zu erinnern. Das Städtchen, Vitoria, hatte ihm damals gefallen.
Er wolle ihm ein Angebot machen, sagte der Vizepräsident: Er zahle der Mannschaft von Teneriffa 100 000 Euro, wenn sie Getafe besiegte.
|256| Alavés stieg nur auf, falls Getafe am letzten Spieltag verlor.
Die Stunde der Geldkoffer
heißt der letzte Spieltag in den unteren spanischen Profiligen. Manche Vereine kämpfen verzweifelt um den Aufstieg oder gegen
den Abstieg, andere befinden sich bereits in der Komfortzone der Tabelle; denen sollen die Geldkoffer bei der Motivation nachhelfen.
100 000 Euro. Das waren gut 5000 pro Spieler,
limpio
, sauber, wie netto in Spanien heißt.
Am Dienstag, noch vier Tage bis zum Spiel gegen Getafe, bat Robert Enke vor dem Training in der Umkleidekabine um einen Moment
Ruhe. Er habe einen interessanten Anruf erhalten.
Positive Geldkoffer
, Prämien für Siege, wie sie Alavés’ Vizepräsident offerierte, wurden in Spanien geduldet.
Am selben Tag, nach dem Training, rief der Sportdirektor die Kapitäne der Elf um Antonio Hidalgo zu sich. »Ich weiß nicht,
was läuft«, sagte Carrasco, »falls ihr von Alavés eine Prämie angeboten bekommt, um zu gewinnen, in Ordnung. Aber es gibt
Gerüchte, wir würden das Spiel an Getafe verkaufen. Ihr seid verantwortlich, dass die Mannschaft das Spiel nicht verschaukelt.«
Wenn er etwas höre, werde er einschreiten, versprach Hidalgo.
Zu viele Profis in den unteren spanischen Ligen werden von ihren chronisch klammen Klubs monatelang nicht bezahlt. Wer kann
von solchen Spielern erwarten, dass sie angesichts der
maletas de dinero
, der Geldkoffer, an den letzten Spieltagen nicht anfangen nachzudenken?
Robert Enke wartete in Teneriffa noch auf die Hälfte seines Gehalts, und er nahm an, dass er nicht der Einzige war.
Er ging einen Schokoladenshake in der Fußgängerzone trinken, wahrscheinlich waren es seine letzten Tage auf der Insel. Er
hatte Ewald Lienen getroffen, den Trainer von Hannover 96, und den Eindruck gewonnen, dass ein einfühlsamer Trainer alleine
ein Grund für einen Vereinswechsel sein konnte. Den Schokoladenshake trank er im Gefühl, sich eine Belohnung verdient zu haben.
Am Mittwoch vor dem Training ergriff einer von Roberts näheren Bekannten im Team das Wort. »Wenn du meinen Namen |257| nicht nennst«, sagt dieser Spieler sechs Jahre später zu mir, »erzähle ich dir, wie es war.«
Er hatte am Dienstag einen Anruf erhalten. Wenn er am Samstag ein paar unauffällige Fehler mache, die Getafes Sieg garantierten,
zahle ihm jemand, er werde nicht sagen wer, 25 Millionen Peseten.
Nachdem der Spieler das Angebot abgelehnt hatte, meldete sich der Anrufer einen Tag später wieder und bot 40 Millionen.
Robert Enke musste sich das erst einmal in Euro umrechnen lassen, die Spanier immer mit ihren Peseten, drei Jahre nach der
Währungsumstellung. Ungefähr 250 000 Euro waren das.
Was, dachte Robert Enke, hatten sie sich da nicht bei der Umrechnung vertan?
Es waren genau 240 400 Euro.
»Ich habe dem Anrufer gesagt, ohne mich, so etwas mache ich nicht«, sagte der Spieler vor dem Training am Donnerstag in Teneriffas
Umkleidekabine. »Falls noch jemand solch einen Anruf erhalten hat, dann ist jetzt der Zeitpunkt, es hier laut zu sagen.«
Niemand meldete sich.
Vor dem letzten Training der Saison stieg Lobo Carrasco in die Umkleidekabine hinunter. Die Wände in den Stadionkatakomben
waren blau und weiß gestrichen, man sah die Umrisse der nackten Ziegelsteine unter der Farbe.
»Wenn ihr von Alavés eine Prämie für einen Sieg erhaltet, ist das okay«, Carrasco begann mit ruhiger Stimme. »Eine Prämie
für eine Niederlage allerdings würde immer ein dunkler Fleck auf eurem Lebenslauf und auf eurem Gewissen bleiben. Davon erholt
ihr euch nie mehr. Wenn ich etwas mitkriege, wenn ich jemanden erwische, der fliegt raus. Und ich werde dafür sorgen, dass
er nirgendwo mehr einen Vertrag bekommt, ich zeige ihn an. Habt ihr mich verstanden?« Manche Spieler nickten, manche schauten
zu Boden. Niemand sagte etwas.
Wenn die Spieler im Heliodoro-Rodríguez-Stadion aufblickten, sahen sie die Berge Teneriffas, grün, lieblich, natürliche
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