Robert Enke
Robert Enke das ultimative Verbrüderungsritual unter Torhütern an. Er fragte,
ob er mal Roberts Handschuhe anprobieren dürfe. »Er hatte eine richtig breite |325| Pranke«, sagt René Adler, »ich bin in seinen Handschuhen herumgerutscht.«
Robert Enke mit seinem Torwartrivalen Jens Lehmann. [26]
Robert Enke wusste nicht, was er davon halten sollte. Adler war doch der, der in den Zeitungen immer viel besser als er wegkam.
Unbewusst hatte Robert Enke seinen Groll darüber vor der Europameisterschaft auch auf Adler selbst bezogen. Und nun entpuppte
der sich als sympathischer Junge.
René Adler war sieben Jahre jünger als Robert Enke, sieben Jahre bedeuteten im Fußball einen Generationensprung. Als Robert
Enke 1999 in der Bundesliga sein Debüt gegeben hatte, war Adler ein vierzehnjähriger Junge in Leipzig vor dem Fernseher, der
in Enke den Weg erkannte, den er selbst vor sich hatte: Wie Robert ging René aus dem Osten in den Westen, um im Fußball zu
triumphieren. Mit fünfzehn Jahren kam er allein in Leverkusen an. Bayers Torwarttrainer Rüdiger Vollborn und seine Frau nahmen
ihn als Ziehsohn bei sich zu Hause auf. René bekam das Dachzimmer. Es war eine einmalige Verbindung: der Trainer, der seinen
Torwart nicht nur trainierte, sondern großzog. |326| Fern den Eltern und der Kindheit, unter dem Dach eines ehemaligen Profitorwarts, zu dem er aufsah, den er auf keinen Fall
enttäuschen wollte, verstärkten sich Renés natürliche Wesenszüge. Nahezu alle, die ihn trafen, waren angetan von seinem Taktgefühl
und seiner Aufgeschlossenheit. Er fiel in den Jugend-Nationalteams aller Altersklassen als einzigartige Begabung auf, »er
musste
mit zur Europameisterschaft nach seiner überragenden Saison«, sagte der Bundestorwarttrainer Köpke; René Adler selbst jedoch
konnte das nicht glauben. »Ich war ja erst anderthalb Jahre im Profibetrieb dabei, ich dachte: Du musst mehr geleistet haben,
um zu einer Europameisterschaft zu fahren«, sagt er. »Und dann fällt diese kuriose Entscheidung, mich mitzunehmen.«
Er hätte gar nicht gewusst, wie er zu Robert Enke anders als freundlich und respektvoll hätte sein sollen. »Ich sah mich nicht
auf einer Ebene mit Robbi«, sagt er. Lerne was von Lehmann und Enke, den Großen, habe er sich vor der Europameisterschaft
gesagt und: »Gib Gas, hab Spaß.«
Mit dem Spaß wurde das allerdings nicht so einfach. Hinter dem Regenerationstrainingslager, fand die Mannschaft schnell heraus,
verbarg sich ein anspruchsvolles Fitnesstraining, getarnt durch ein nettes Rahmenprogramm. René Adler musste Übungen absolvieren,
die er noch nie im Leben gemacht hatte, Widerstandsläufe, bei denen sie kleine Metallschlitten hinter sich herzogen, am ersten
Abend hatte er schwere Beine, am zweiten war sein Rücken steif. Er musste mit dem Training aussetzen und sich ausgiebig von
den Physiotherapeuten behandeln lassen. Robert Enke konnte nicht heraus aus seinen Vorbehalten gegenüber dem Liebling der
Medien und registrierte die Schwäche mit Interesse: War sein zukünftiger Rivale körperlich noch nicht reif für den Wettkampf?
Die Frauen der Spieler fuhren auch zur Europameisterschaft. Der Deutsche Fußball-Bund hatte ihnen ein Hotel in Ascona vermittelt,
im selben Ort am Lago Maggiore, wo die Nationalelf während des Turniers Quartier bezog. An freien Abenden traf Robert Teresa.
Sie habe eine sehr nette Bekannte unter den anderen |327| Frauen gefunden, erzählte sie ihm, sie könnten doch auch einmal zu viert weggehen, mit jener jungen Frau und ihrem Freund.
»Wie?«, fragte Robert Enke: »Gehe ich jetzt auch noch mit René Adler aus?«
Sie hätten dann an dem Abend mit den Frauen viel gelacht, sagt René, »auf Kosten der Männer vor allem. Wir waren ja beide
handwerkliche Tollpatsche, da gab es einige Geschichten zu erzählen.«
Bald saß René Adler beim Mannschaftsessen öfter bei der Clique Mertesacker, Metzelder und Enke. Wenn Teresa und Robert in
den freien Stunden im Tessin etwas mit anderen unternahmen, dann mit René und seiner Freundin. Sie lernten auch eine nette
Frau kennen, mit der Teresa immer im Kontakt bleiben würde: Renés Mutter.
Es war auch für Robert Enke das Höchste, in der Nationalelf zu spielen. Aber war der schönste Posten nicht doch der des Ersatztorwarts?
Er war ein geschätzter Teil der Mannschaft, er erlebte all die Aufregung in der Schweiz, die Siege und Späße, genauso wie
jeder andere
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