Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Robert Enke

Robert Enke

Titel: Robert Enke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald Reng
Vom Netzwerk:
Hildebrand und Enke hatten seit einem Jahr als Ersatztorhüter kontinuierlich
     zur Nationalelf gehört. Adler war über das gesamte Jahr hinweg der überragende Torwart der Bundesliga gewesen.
    Es war leichter zu entscheiden, wenn sie zunächst den dritten Torwart bestimmten. Der dritte Torwart, der Ersatz des Ersatzes,
     war für Deutschland noch nie bei einer Welt- oder Europameisterschaft zum Einsatz gekommen. So war es Tradition geworden,
     als dritten Torwart einen Jungen mitzunehmen, der sich während des wochenlangen Turniers in der Nationalelf akklimatisieren
     sollte. Irgendwann würde ihm dann das Tor gehören. Der 23-jährige René Adler, der wie eine Offenbarung |321| in der Bundesliga erschienen war, war die Idealbesetzung für den Posten.
    »Die Frage war dann, ob es Timo oder Robert treffen würde«, sagt der Bundestorwarttrainer Andreas Köpke.
    Hildebrand war seit fünf Jahren als logischer Nachfolger von Kahn und Lehmann aufgebaut worden, er war bei der Europa- und
     Weltmeisterschaft zuvor die Nummer drei gewesen, der Junge, dem die Zukunft gehört. Robert Enke war mit 29 in die Nationalelf
     reingerutscht und hatte ein einziges Länderspiel bestritten. Timo Hildebrand allerdings hatte ein hartes Jahr hinter sich.
     In seiner ersten Saison beim FC Valencia war er auf den Torwartkollegen Santiago Cañizares getroffen. Cañizares räumte den
     Posten im Tor nicht kampflos. Er behandelte Hildebrand mit kalter Verachtung, er sprach kein Wort mit ihm, es war nichts Persönliches,
     es war nur ein Kampfmittel, sagte Cañizares. Zwei Trainerwechsel in einer Saison beruhigten das Arbeitsklima in Valencia auch
     nicht. »Hier ist immer was los«, sagte Hildebrand. Man erkannte die Anspannung in seinem Spiel. Wenn man die Saison in Spanien
     unsentimental analysiere, sagte einer von Löws Mitarbeitern im Hotel an der Königsallee, »hat Timo in fast jedem Spiel Fehler
     gemacht«. Manchmal musste Hildebrand bei einem Schuss nachgreifen, bis er ihn fest in den Händen hielt, mal stieß er mit seinem
     Verteidiger zusammen, wenn er eine Flanke fangen wollte. Nur selten hatten die Fehler Folgen, aber Sicherheit sah anders aus.
     Auch in der Nationalelf hatte Hildebrand bei seinem einen Spiel unter Echtdruck, in der Qualifikation gegen Zypern, gewackelt.
     Robert Enke dagegen agierte in Hannover seit vier Jahren mit ungeheurer Bestimmtheit. »Bei so einem wissen die Jungs genau:
     Er ist da. Und das gibt der Abwehr die richtige Sicherheit«, sagte Andreas Köpke.
    Aber Hildebrand hatte in Valencia auch großartige Momente gehabt, einmal sahen die Zuschauer
una mano de milagro
, eine Wunderhand, als er einen Kopfball von Levantes Álvaro de Aquino gegen die Laufrichtung des Torwarts abwehrte. Seit
     fünf Jahren luden sie Hildebrand in die Nationalelf ein, weil sie in ihm eine mögliche Nummer eins gesehen hatten, sollten
     sie |322| ihm nicht eine holprige Saison unter schwierigsten Bedingungen nachsehen?
    Oder ging es nicht genau darum: Wie ein Torwart unter extremsten Bedingungen zurechtkam? War das nicht der entscheidende Punkt
     bei der Suche nach dem Ersatztorwart: »Was, wenn Jens Lehmann wirklich einmal im Europameisterschaftshalbfinale ausfällt?«,
     fragte Köpke und antwortete sich selbst: »Dann kannst du Robert ohne Probleme ins Tor stellen. Er ist so nervenstark, dass
     er auch in so ein Spiel ruhig reingeht. Nach dem Tod seiner Tochter weiß er, dass es wichtigere Sachen auf der Welt gibt.«
     Die anderen im Raum, der Bundestrainer, sein Assistenztrainer Hansi Flick und Chefscout Urs Siegenthaler, sahen es genauso:
     Robert Enkes Abgeklärtheit sei beeindruckend. Die endgültige Entscheidung musste der Bundestrainer allein treffen.
    Am 16. Mai 2008, drei Wochen vor der Europameisterschaft, würde er das Aufgebot bekannt geben. Sieben Fernsehsender wollten
     live übertragen. Andreas Köpke rief die vier Torhüter kurz davor an, damit der eine von ihnen die traurige Nachricht nicht
     aus den Medien erfuhr.
    Timo Hildebrand war am 16. Mai gegen neun Uhr schon auf dem Weg in den Vorort Paterna, zum letzten Training des FC Valenica
     in jener Saison. Seine Hüfte war gestaucht. Valencias abschließendes Ligaspiel zwei Tage später gegen Atlético Madrid wollte
     er aussetzen, um das Gelenk für die Europameisterschaft zu schonen. Fünf Jahre hatte er geduldig hinter Kahn und Lehmann gewartet,
     dies sollte sein letztes Turnier als Ersatztorwart werden, danach würde Jens Lehmann abtreten. Der Weg

Weitere Kostenlose Bücher