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Robert Enke

Robert Enke

Titel: Robert Enke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald Reng
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Abwehrmechanismen
     zu beherrschen, dem Tag eine Struktur zu geben, Dinge zu erledigen. Er entschied sich, für einige Wochen nach |341| Niederbayern in eine Rehabilitationsklinik für Profisportler zu gehen. Dort unter Gleichgesinnten, gleichsam Leidenden würde
     vielleicht die Angst, zurückzubleiben, weichen. Wenn er Mitte Dezember zurückkäme, würde er sich in Hannover einen Psychiater
     suchen.
    Der Plan stand fest. Aber er stimmte ihn nicht optimistisch.
    »Ich hätte es so wie du machen müssen«, sagte er verzweifelt zu Marco am Telefon, »warum nur habe ich nach der Depression
     in Barcelona nicht weiter prophylaktisch mit einem Psychiater zusammengearbeitet?«
    »Robbi, es ist noch nicht zu spät. Mach es doch auch so wie ich und telefoniere regelmäßig mit Valentin.«
    »Ach, das bringt doch nichts am Telefon.«
    »Mir hat es sehr viel geholfen.«
    Seit gut einem Jahr telefonierte Marco Villa jeden Montagabend mit Valentin Markser. Es kam ihm vor, als rede er einfach mit
     einem guten Freund; und am Ende des Monats kam dann die Rechnung von Markser.
    Marco hatte begonnen, bewusste Entscheidungen zu treffen. Er lebte mit seiner Frau und mittlerweile zwei Kindern in Roseto
     degli Abruzzi, einem kleinen Ort an der Adria, und hier würde er erst einmal bleiben. Er würde nicht mehr wegen des Fußballs
     alle fünf Monate durch die Gegend ziehen. Er genoss das Leben mit der Familie am Meer, und sie konnten gut davon leben, dass
     er im Amateurfußball von Saison zu Saison beim höchstbietenden Klub der Gegend anheuerte. An den Vormittagen lernte er Betriebswirtschaft
     im Fernstudium, das Fach begeisterte ihn nicht, aber er tat es auch, um sich zu beweisen, dass ihm etwas anderes außer Fußballspielen
     gelang. In der Tat hatte er zum ersten Mal Berufsträume, die über den Fußball hinausgingen: Er wollte nach der Betriebswirtschaft
     Homöopathie studieren und im Bereich der Akupressur arbeiten. Es faszinierte ihn, wie es Menschen allein mit ihren Händen
     schafften, Schmerz zu lindern.
    Es wurde nicht alles auf Anhieb besser, nur weil er anfing, sich nicht mehr vom Profileben herumschubsen zu lassen. Er fuhr
     nun zum Training von L’Aquila Calcio, einem Fünftligisten, |342| zu einem Sportplatz, der mehr Erde als Rasen aufwies. In der Umkleidekabine hatten die Kreisligaspieler, die nach ihnen trainierten,
     seine Fußballschuhe geklaut. Und abends lief dann die Erste italienische Liga im Fernsehen, Genua gegen Udinese, im Inneren
     fühlte er sich dieser Welt des Profifußballs noch immer zugehörig, die Frage kam ihm immer noch, die Frage schmerzte unverändert:
     Wie konnte es so weit kommen, dass du in der Fünften Liga gelandet bist? Aber er hatte gelernt, mit der Frage zu leben.
    Gelegentlich trieb er auch mit 32 in der Fünften Liga noch mit derselben Freude seine Scherze wie damals in Mönchengladbach.
     Zu seinem Geburtstag servierte er den Kollegen von L’Aquila süße Hefebällchen. Die Vanillefüllung hatte er durch Shampoo ersetzt.
    Er hatte eine Grundzufriedenheit mit seinem Leben erlangt.
    »Robbi«, sagte er am Telefon, »ich weiß, es ist schwer, mir gelingt es auch oft nicht, aber versuche, dich nicht zu sehr auf
     den Fußball zu fixieren.«
    »Ich kann aber nichts außer Fußball. Ich habe mich immer nur als Fußballer wahrgenommen.«
    »Dann lass dir von mir sagen, dass du viel mehr bist als ein Fußballer: Du bist ein besonderer Freund für mich.«
    »Aber ich habe doch immer nur alle meine Freunde und meine Familie vernachlässigt. Sogar die Geburtstage von meinen Eltern
     vergesse ich ständig.«
    »Na und, was bedeutet es schon, einen Geburtstag zu vergessen? Nichts! Das ist doch nur eine Formalität. Was zählt, ist, dass
     du auch ein Leben außerhalb des Fußballs hast, mit Freunden, die dich schätzen – dass es eben nicht alles ist, wenn du einmal
     drei Monate nicht spielen kannst.«
    »Jawohl, Herr Markser«, sagte Robert.
    Marco musste lachen. Ein bisschen schien es dem Freund offenbar schon besser zu gehen.
     
    In der Rehabilitationsklinik in Donaustauf lernte Robert Enke einen neuen Mannschaftsgeist kennen. In den Fitnessräumen arbeitete
     gut ein Dutzend Fußballer. Vinícius, sein netter Kollege |343| von Hannover 96, versuchte, den Rücken nach einem Bandscheibenvorfall zu stärken, Roland Benschneider, ein Zweitligaspieler
     aus Augsburg, befand sich nach einem Kreuzbandriss im Aufbautraining. Auf den ersten Blick verband sie nichts, jeder für sich
    

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